Bruce Springsteen auf der Bühne – im Hintergrund ein Kreuz
Reuters/Albert Gea
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Porträt

Bruce Springsteen: Der Rocker und die Religion

Bruce Springsteen ist einer der großen US-Rocklegenden. Er stammt aus einer irisch-italienischen Familie – der Katholizismus wurde ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. Aus der katholischen Enge, die seine Jugend prägte, brach er zwar aus. Doch die Religion blieb ihm erhalten, was er in seinen Liedern und Bühnenshows unter Beweis stellt.

Ein Mann steht auf der Bühne, die Gitarre hat er umgehängt. Und in der gewiss nicht religionsaffinen Atmosphäre eines New Yorker Broadwaytheaters beginnt er voller Inbrunst das Vaterunser zu beten. Der Mann auf der Bühne ist Bruce Springsteen. Der Musiker, der am 18. Juli ein Konzert in Wien geben wird, erzählte in seinem Programm „Springsteen on Broadway“ in den vergangenen Jahren immer wieder seine Lebensgeschichte, auf packende Weise.

Integriert waren die entsprechenden Songs, in einer – zu diesem Rahmen passenden – intimen, leisen Interpretationsweise. Das Vaterunser betete er nicht ohne zuvor erzählt zu haben, wie sehr es ihn genervt habe, die Worte immer wieder aufsagen zu müssen: in der Kirche, zu Hause und in der katholischen Schule, gegen die er rebellierte.

Christ aus einfachen Verhältnissen

1949 in eine irisch-italienische Familie mit Wohnsitz in New Jersey hineingeboren, war das Christentum ein prägendes Element seiner Kindheit und frühen Jugend. Ebenso wie die einfachen Verhältnisse, in denen er gemeinsam mit seinen beiden Schwestern aufwuchs.

Auch davon berichtet er – in seiner Autobiographie, in seinen Auftritten am Broadway, im Rahmen seiner Konzerte. Er singt darüber in seinen Liedern wie „The River“, „Factory“ oder „My Hometown“. Er steht dazu, er schämt sich seiner Wurzeln nicht. Mehr noch, sie dienen ihm ganz offensichtlich als Quelle der Inspiration. Und vielleicht haben sie auch dazu beigetragen, ihm ein Wertesystem mitzugeben, zu dem er sich bis heute bekennt.

Bruce Springsteen auf der Bühne
Reuters/Albert Gea
Spiritualität ist für Bruce Springsteen, der aus einer katholischen Familie stammt, wichtig

Superstar ohne Skandale

Bruce Springsteen ist ein Superstar ohne Skandale. Er zertrümmerte nicht einmal Gitarren – in den Jahren, als das so angesagt war. Vielleicht, weil er um den Wert eine Gitarre nur allzu genau Bescheid weiß. Die erste, auf der der gespielt hat, war nicht die eigene – sie war ausgeborgt.

Seit 1991 ist Springsteen mit seiner zweiten Frau, der Musikerin Patti Scialfa verheiratet. Das Paar hat drei erwachsene Kinder. Sie ist seit 1988 Mitglied der legendären E-Street-Band. Springsteen sagt, ein Lied könne er unmöglich ohne sie singen. „Tougher than the Rest“ ist ein Liebeslied, in dem er unmissverständlich festhält, was für ihn das Essenzielle an einer Beziehung ist: nicht das Oberflächliche, Hübsche, Lässige – sondern das Füreinander-Dasein, wenn es wirklich darauf ankommt.

„Du kommst nie mehr davon los“

Politisch positioniert sich Bruce Springsteen ganz eindeutig: auf Seiten der Demokraten. Auch das ein Erbe aus seinem Elternhaus. Er hat die Wahlkampagnen von dem nunmehr ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama unterstützt, später mit ihm gemeinsam einen Podcast gestartet.

Sendungshinweis

„Lebenskunst – Begegnungen am Sonntagmorgen“, Sonntag, 16.07.2023, 7.05 Uhr, Ö1

Springsteen äußert sich öffentlich für die Ehe homosexueller Paare und für Straffreiheit bei Schwangerschaftsabbruch. Manche US-amerikanische Medien sprechen ihm deshalb ab, ein Christ zu sein. Der Großteil der liberalen Gläubigen teilt seine Positionen und sieht darin keinen Widerspruch zu religiöser Zugehörigkeit.

Und wie stellt sich diese Zugehörigkeit im Fall von Bruce Springsteen dar? Klar ist, dass er ausgebrochen ist – aus dem Milieu seiner Herkunftsfamilie ebenso wie aus der katholischen Enge, die seine frühen Jahre geprägt hat. Aber er sagt auch: „die Katholiken sind schlau – wenn sie dich kriegen, dann kriegen sie dich, und du kommst nie mehr davon los“. Und er sagt es lachend.

Bruce Springsteen auf der Bühne
Reuters/Jason Reed
Bruce Springsteen ist ein bekennender Demokrat und unterstützte US-Präsident Barack Obama 2012 bei seiner Kampagne

Lieder über Verdammnis und Gnade

Etwas seriöser formuliert er es vor einigen Jahren in einem Interview mit der britischen BBC. Da sagt er: „Ich wurde als Kind so intensiv mit der Bibel vertraut gemacht. Das hat mich geprägt. Bis heute finden sich in meinen Texten zahlreiche biblische Bezüge: da geht es viel um Verdammnis und Rettung, um Gnade und dem Hinausfallen aus der Gnade“. Auf einem seiner relativ frühen Alben, Nebraska, findet sich ein Lied mit dem Titel „My Father’s House“ – biblischer geht es fast nicht. Schließlich wird Jesus im Evangelium nach Johannes mit den Worten „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ zitiert.

In seinem Lied „The Rising“, seiner Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September spricht er über „Maria im Garten der tausend Tränen“ – ein Bezug zur christlichen Passionsgeschichte. Auf seinem jüngsten Studio-Album „Letter to You“ (erschienen 2020) ist Religion in vielen Stücken Thema. Um das Weiterleben nach dem Tod geht es in „I’ll see You in my Dreams“. „Letter to You“ und „The Power of Prayer“ handeln genau davon: vom Beten. „Je älter man wird, desto wichtiger wird die Spiritualität“, erklärt er ganz unumwunden.

Bruce Springsteen und seine Frau Patti Scialfa auf der Bühne
Reuters/Mario Anzuoni
Bruce Springsteen hat 1991 zum zweiten Mal geheiratet – die Musikerin Patti Scialfa

Ein Prediger auf der Bühne

Aber nicht nur seine Texte sind aus religiöser Hinsicht gehaltvoll – auch seine Konzerte sind es. Da tritt er oft auf, wie ein US-amerikanischer Prediger, in der besten aller möglichen Erscheinungsformen. Mit all seiner Autorität ruft er seine Fans dazu auf, aktiv zu werden. Für mehr Gerechtigkeit, für eine besser Welt.

Er fordert sie auf, aufeinander zu achten, die Gemeinschaft zu pflegen, den Wert der Freundschaft zu schätzen, weil die Dinge (sei es ein Konzert, sei es eine gesellschaftspolitische Veränderung) nur miteinander bewerkstelligt werden können.

Jüdische Fans und Weltverbesserer

Wollte man hier die kirchliche Sprache bemühen, dann müsste man wohl sagen: er ruft sein Publikum dazu auf, mit ihm gemeinsam für das Reich Gottes auf Erden zu arbeiten.

Übrigens: Springsteen hat auch eine enorme Anzahl jüdischer Fans. Und auch von dieser Seite wird ihm religiöser Tiefgang attestiert. Aufgrund seiner Texte und aufgrund seines Engagements. Denn: die Welt besser zu machen, zu „reparieren“, wie es oft formuliert wird, das ist eine zentrale Forderung des Judentums. Der theologische Fachbegriff dafür lautet „tikkun olam“.