Kanada

Aussöhnung von Indigenen und Kirche kommt voran

Ein Jahr nach dem Besuch von Papst Franziskus in Kanada macht die Versöhnung der indigenen Bevölkerung mit der römisch-katholischen Ortskirche Fortschritte. Ein Fonds mit insgesamt 30 Millionen Dollar wurde eingerichtet, der Projekte für und mit Indigenen unterstützt.

Franziskus hatte sich während der „Pilgerreise der Buße“, wie er sie selbst bezeichnete, bei den Indigenen für das erlittene Unrecht durch die Kirche entschuldigt. Hintergrund sind in den vergangenen Jahren zutage getretene Skandale um Misshandlungen und Missbrauch in kirchlichen Schulen für indigene Kinder, sogenannte „Residential Schools“.

Der Papst habe mit seiner Reise „einen außergewöhnlichen Schritt der Demut gezeigt“, was auch „von indigenen Brüdern und Schwestern sehr geschätzt“ werde, sagte etwa der Vorsitzende der kanadischen Bischofskonferenz Raymond Poisson. „Die freundliche, brüderliche Haltung, der beruhigende, offene und vorurteilsfreie Blick des Heiligen Vaters hinterließ bei allen einen bleibenden Eindruck“, so der Bischof von Saint-Jerome-Mont-Laurier.

Papst Franziskus im Juli 2022 mit Indigenen in Kanada
APA/AFP/Ciro Fusco
Papst Franziskus traf im Juli 2022 mit indigenen Kanadierinnen und Kanadiern zusammen

Auch der kanadische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Paul Gibbard, bestätigte im Gespräch mit „Radio Vatikan“, dass die Papstreise vor einem Jahr den Initiativen mit dem Ziel der Aussöhnung großen Auftrieb gegeben habe.

„Note zur Doktrin der Entdeckung“

Der Heilige Stuhl hatte im März dieses Jahr eine sogenannte „Note zur Doktrin der Entdeckung“ veröffentlicht. Darin distanzierte sich der Vatikan von einer Lehre, die über lange Zeit als Freibrief zur Ausbeutung der früheren Kolonien und indigenen Völker benutzt wurde. Sie sei mit den Auffassungen der katholischen Kirche nicht vereinbar, so die zuständigen Dikasterien im März 2023.

Papst Franziskus hatte in diesem Zusammenhang unter anderem betont, dass die christliche Gemeinschaft es nie wieder zulassen werde, eine Kultur höher zu stellen als eine andere. Es werde nie wieder passieren, dass Menschen im Namen der Kirche gezwungen würden, ihre Kultur aufzugeben, so das katholische Kirchenoberhaupt.

Franziskus war vom 24. bis 30. Juli 2022 in Kanada. Er besuchte indigene Siedlungsgebiete und führte zahlreiche Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der indigenen Bevölkerung.

Erziehungsanstalten für indigene Kinder

Ab 1831 wurden in Kanada indigene Mädchen und Buben an den Residential Schools unterrichtet. Sie sollten an die Gesellschaft und Kultur der europäischen Einwanderer angepasst werden. Üblicherweise waren die Residential Schools als strikte Internate ausgelegt. Die Mädchen und Buben der First Nations, der Inuit oder der Metis – Nachfahren europäischer Händler und indigener Frauen – konnten ihre Familien über Jahre hinweg nur selten sehen.

Insgesamt lebten etwa 150.000 Kinder in Residential Schools. Betreiber war zumeist die Kirche, das Geld kam vom Staat. Die letzte Einrichtung dieser Art schloss 1996 in Punnichy, Saskatchewan, ihre Pforten.

Tod von mindestens 3.200 Kindern

In den vergangenen Jahren wurden auf den Arealen ehemaliger Internate per Bodenradaruntersuchungen immer wieder Orte gefunden, an denen unmarkierte Gräber von Kindern vermutet werden. Sie belegen die ärmlichen Lebensbedingungen in vielen Heimen, viele starben an Krankheiten wie Tuberkulose, Masern und Grippe. Bisher ist der Tod von mindestens 3.200 Kindern nachweisbar; Experten gehen aber von wesentlich mehr aus. Überlebende berichten, sie seien Gewalt, Erniedrigung und sexuellem Missbrauch ausgesetzt gewesen.