Provokation

Experte: Koranverbrennungen „bewusste Beleidigung“

Die Koranverbrennungen und -schändungen in Schweden und Dänemark in den vergangenen Wochen seien eine „bewusste Beleidigung“ des Islam, so der Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker. In Österreich wäre etwas Derartiges nicht möglich.

Die Szene im Netz, die er hinter den Aktionen vermutet, sei in den vergangenen Jahren stärker geworden, sagt Lohlker im Gespräch mit religion.ORF.at. In Stockholm verbrannten am Montag erneut zwei Aktivisten öffentlich Seiten aus dem Koran. Die Exiliraker, die in den vergangenen Wochen bereits zwei ähnliche Aktionen in Stockholm durchgeführt hatten, zeigten auch Bilder von muslimischen Würdenträgern und traten auf ihnen herum. Die zuvor angemeldete Demonstration war polizeilich genehmigt worden.

Länder prüfen Rechtsmittel

Sowohl die schwedische als auch die dänische Regierung kündigten an, Rechtsmittel zu prüfen, um Derartiges gesetzlich verbieten zu können. Die Koranverbrennungen hatten zuletzt auch diplomatische Konsequenzen, Ausschreitungen in mehreren muslimischen Ländern waren die Folge.

Ein Aktivist auf dem Weg zu einer Koranverbrennung unter Polizeischutz in Stockholm, 20. Juli 2023
APA/AP/TT News Agency/Caisa Rasmussen
Aktivist Momika auf dem Weg zu einer Koranverbrennung unter Polizeischutz in Stockholm, 20. Juli 2023

„Sehr aktive Szene“ im Internet

Seit Jahren, vor allem seit den Mohammed-Karikaturen, die die dänische Zeitung „Jyllands-Posten“ 2005 abgedruckt hatte, gebe es im Internet eine sehr aktive Szene, der es tatsächlich darum gehe, wie sie Musliminnen und Muslimen am besten beleidigen und angreifen könne, sagt Islamwissenschaftler Lohlker.

Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker
ORF/Andreas Mittendorfer
Islamwissenschaftler Lohlker

„Das ist offensichtlich jetzt das Resultat dieser langjährigen Propaganda und Onlinedebatten.“ Es sei „die Lust am Beleidigen und Verletzen“. Hinter den Koranverbrennungen und -schändungen sieht Lohlker keine politische Agenda, denn es sei „völlig irrational“, es gehe tatsächlich um „Angriffe gegen eine religiöse Gemeinschaft“, so der Islamwissenschaftler.

Der 37-jährige Exiliraker Salwan Momika und sein Helfer, der 48-jährige Salwan Nadschem, wollen mit ihren Aktionen ein Verbot des Korans in Schweden erreichen. Momika stammt aus einer assyrisch-christlichen Familie im Nordirak. Nach Schweden kam er 2018, im April 2021 erhielt er dort Asylstatus und eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre. Eigenen Angaben zufolge ist er Mitglied der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die derzeit die schwedische Regierung im Parlament unterstützen. Sich selbst bezeichnet Momika als „Atheist, aufgeklärten Politiker, Denker und Autor“.

Gewalt könnte auf Länder zurückschlagen

Er könne sich vorstellen, dass es im Falle weiterer Koranverbrennungen auch weitere Proteste und Drohungen in muslimischen Ländern geben werde, sagt Lohlker. Auch bestehe ein Risiko, dass die Gewalt auf Schweden und Dänemark zurückschlage. Neben der bereits erfolgten Distanzierung würde eine entsprechende Gesetzgebung gegen Hetze und die Herabwürdigung religiöser Überzeugungen helfen, so der Experte.

Verbrennung einer schwedischen Fahne in Beirut, Libanon
APA/AP/Hassan Ammar
In vielen islamischen Ländern gab es Reaktionen auf die Koranverbrennungen (Verbrennung einer schwedischen Fahne in Beirut, Libanon)

„Die Gruppen, die diese Proteste organisiert haben, sind weiterhin da, und wenn sie weiterhin einen Anlass sehen, um gegen europäische Länder vorzugehen, werden sie sicherlich diesen Anlass begeistert aufgreifen.“

In Österreich verboten

In Österreich wäre es schon jetzt ungesetzlich, öffentlich einen Koran oder eine andere heilige Schrift zu verbrennen – neben dem Straftatbestand Verhetzung greift hier auch das Verbot der „Herabwürdigung sozialer Lehren“, das jede Religion schützt.

Sendungshinweis

Das Interview mit Rüdiger Lohlker in „Religion aktuell“ zum Nachhören

So steht es im Strafgesetzbuch, Paragraf 188: „Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“