Ein zerstörter Stadteil von Hiroshima nach dem Atombombenabwurf 1945
APA/AFP/Nicholas Kamm
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Atombombe

Hiroshima-Gedenken unter aktuellen Vorzeichen

Unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges und der immer wieder aufflammenden Drohungen mit Atomwaffen sowie der weltweiten Aufrüstung steht das heurige Hiroshima-Gedenken am Sonntag in Wien. Geplant ist eine Aktion für eine Welt ohne Atomwaffen auf dem Wiener Stephansplatz.

Am 6. August 1945 wurde die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen. 78 Jahre später seien Atomwaffen noch immer eine große Bedrohung für das Überleben der Menschheit, schrieben die veranstaltenden Friedensorganisationen im Vorfeld der Aktion.

Auf dem Programm stehen unter anderem Reden von Friedensaktivistinnen und -aktivisten, Informationen des Roten Kreuzes über Strahlengefahren und das Singen von Friedensliedern. Erwartet werden auch Vertreterinnen und Vertreter der internationalen Friedensbewegung, denn vom 31. Juli bis 11. August tage die erste Vorbereitungskonferenz für die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages in Wien, heißt es in einer Aussendung.

ÖRKÖ warnt vor Gleichgültigkeit

Der Ökumenische Rat der Kirchen schrieb in einer Aussendung am Freitag, dass ein Einsatz von Atomwaffen sich niemals wieder wiederholen dürfe, „und deshalb dürfen wir uns auch mit der Existenz von Atomwaffen niemals abfinden“.

Eine globale Sicherheitsarchitektur, die auf der potenziellen völligen Zerstörung der Welt basiert, „ist eine Illusion, letztlich eine Perversion“, heißt es in der Erklärung weiter. Mit großer Sorge hält der ÖRKÖ-Vorstand fest: „Die nukleare Bedrohung ist seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine deutlich größer geworden. Zugleich scheinen sich viele an den Krieg in Europa gewöhnt zu haben. Deshalb warnen wir vor einer neuen Gleichgültigkeit, einer Einstellung, sich mit dem scheinbar Unvermeidbaren abzufinden und den Kopf in den Sand zu stecken.“

Pax Christi: „Friedensstiftende Neutralität“ nötig

Organisatoren der Aktionen sind die Wiener Friedensbewegung, die Hiroshima-Gruppe Wien, der Österreichische Friedensrat, OMEGA-IPPNW, der Internationale Versöhnungsbund, Pax Christi Wien und andere Friedensgruppen. Sie sammeln auch Grußadressen für eine Welt ohne Atomwaffen, ohne Krieg und ohne AKWs. Mehr als 100 Grußadressen liegen vor.

Veranstaltungshinweis

Hiroshima-Gedenken, 6. August 2023, 18.00 Uhr für eine Welt ohne Atomwaffen auf dem Wiener Stephansplatz. Die Friedensaktion wird um ca. 20.30 Uhr mit einem Laternenmarsch vom Stephansplatz zum Teich vor der Karlskirche abgeschlossen.

Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich beteiligen sich an den Grußbotschaften. Auch sie sehen den diesjährigen Hiroshima-Gedenktag als besonders dringlich an. Für Österreich sei nicht eine „wehrhafte“ Neutralität das Gebot der Stunde, „sondern eine Neutralität, die friedensstiftend sich als Vorreiterin der vorrangigen Option für die Gewaltfreiheit erweist“, so Pax-Christi-Präsident Wolfgang Palaver.

Schönborn: „Sinnbild nuklearen Schreckens“

„Die Welt ist nicht nur unsicherer geworden, der Schrecken ist mit dem Krieg in der Ukraine ganz nah vor unsere Haustüre gerückt“, so Kardinal Christoph Schönborn in seinem Grußwort an die Veranstalter. Vor 78 Jahren habe das Inferno der Atombombenexplosion über Hiroshima und Nagasaki gezeigt, zu welchem Grauen Menschen fähig sind. „Sie sind zum Sinnbild des nuklearen Schreckens geworden“, so der Wiener Erzbischof.

Frieden und Stabilität seien nur durch die Bereitschaft zum Dialog und gemeinsamen Einsatz im Miteinander zu erreichen, „niemals durch die gegenseitige Androhung der atomaren Vernichtung, oder durch ein Klima von Angst und Misstrauen“, betonte Schönborn.

Lackner: „Bedenkliche Atomwaffenpolitik“

Auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner nannte es „bedenklich“, in welche Richtung sich die Atomwaffenpolitik der Welt bewege. Der Ausstieg Russlands aus dem „New Start“-Vertrag zur Atomwaffenbeschränkung im Februar dieses Jahres lasse einen neuen Kalten Krieg befürchten.

Es gebe zwar Stimmen, die meinen, es werde zu keinem nuklearen Schlagabtausch kommen – „zu bewusst seien die fatalen Konsequenzen auch den Drohenden selbst“, schrieb Lackner in seinem Grußwort. Es bleibe zu hoffen, „dass diese Einschätzung so richtig ist, wie sie es in vergangenen Jahrzehnten gewesen sein mag“. Lackner rief dazu auf, das Möglichste zu tun, damit sich die Welt all der Waffen entledigt, „aus denen nur der Untergang aller erwachsen kann“.

Glettler: Gerechte Verhältnisse schaffen

Die nukleare Pattsituation zwischen verfeindeten Großmächten scheine aufgrund der vielen weltweit zunehmenden Krisen und Ungerechtigkeiten und der Nichtanerkennung internationaler Vereinbarungen durch einzelne Staaten „besorgniserregend brüchig zu sein“, warnte der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler.

Am Traum einer atomwaffenfreien Welt gelte es unbedingt festzuhalten. Oberstes Ziel müsse nukleare Abrüstung und Ächtung von Atomwaffen sein. Ebenso wichtig ist nach den Worten des Bischofs die Beseitigung der Ursachen für einen potenziellen Einsatz von Atomwaffen – „durch die Schaffung gerechterer sozio-ökonomischer und politischer Verhältnisse“.

Freistetter: Alle betroffen

Militärbischof Freistetter habe, wie er schrieb, mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems miterlebt, wie das Drohpotenzial durch Atomwaffen verringert und Vertrauen aufgebaut werden konnte. Der Weg zu einer internationalen Wiederabrüstung müsse durch intensive Verhandlungen geebnet werden, „im Bewusstsein, dass die ganze Völkergemeinschaft von der Bedrohung durch Atomwaffen betroffen ist“. Sich für dieses Ziel unbeirrbar einzusetzen, ist für Freistetter eine „Verpflichtung, die uns alle angeht“.

Spendenhinweis

Die Veranstalter des Gedenkens bitten, die Aktivitäten zum Hiroshima-Tag mit einer Spende zu unterstützen: Konto der Wiener Friedensbewegung, IBAN AT47 1200 0006 5908 6003.

Bischof Marketz erinnerte an die mahnenden Worte von Papst Franziskus zum Weltfriedenstag am 1. Jänner, wonach Krieg eine „Niederlage für die ganze Menschheit … und nicht nur für die direkt beteiligten Parteien“ sei. Dies verpflichte zur Fortführung der jahrzehntelangen Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit der Friedensbewegung Wien im Einsatz für Menschenwürde, internationale Gerechtigkeit und Frieden.

Scheuer: Idee des Völkerrechts hochhalten

Auf die von Immanuel Kant zugrunde gelegte Idee eines Völkerrechts, das die Verbindlichkeit zwischenstaatlicher Abkommen festlegt, wies der Linzer Bischof Scheuer hin und forderte: „Wir dürfen nicht nachlassen, diese rechtliche Ausrichtung auf Frieden, die immer wieder bedroht ist, einzufordern und auf politische Friedensbemühungen hinzuwirken – auch wenn die Erfolgsaussichten noch so gering scheinen.“

Zwei weitere Veranstaltungen

Eine weitere Veranstaltung gibt es in Wien am Mittwoch, 9. August 2023, bei der Wiener Friedenspagode, wo um ca. 20.00 Uhr mit einer traditionellen buddhistischen Lichterzeremonie der Opfer von Hiroshima und Nagasaki gedacht wird (Wien 2, Hafenzufahrtsstraße, Bus 80B). In Melk findet am Samstag, 12. August 2023 von 10.00 bis 13.00 Uhr ebenfalls eine Gedenkaktion zu Hiroshima und Nagasaki in der Fußgängerzone vor dem Rathaus statt.