Papst Franziskus bei einer Rede auf einer dunklen Bühne
APA/AP/Gregorio Borgia
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Weltjugendtag

Papst fordert von Europa neue Zukunftsvisionen

In seiner ersten großen öffentlichen Rede während seines Portugal-Besuchs hat Papst Franziskus einen eindringlichen Appell an Europa gerichtet, gemeinsam die Probleme der Welt zu lösen.

In einer Grundsatzrede mahnte er am Mittwoch im Kulturzentrum von Belem in Lissabon zu mehr Handeln und forderte erneut Friedensbemühungen. Zum Auftakt des katholischen Weltjugendtags in Portugal erinnerte er am Mittwoch im Kulturzentrum von Belem an den Vertrag von Lissabon des Jahres 2007. Er gilt als einer der Gründungsakte der Europäischen Union in ihrer heutigen Form. Der Papst zitierte den Vertrag mit den Worten: „Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“

Weiter zitierte er: „In ihren Beziehungen zur übrigen Welt […] leistet [sie] einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechtem Handel, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte.“

Franziskus betonte, er hoffe, dass der Weltjugendtag (WJT) in Lissabon für Europa ein Impuls zu weltweiter Öffnung werde. „Die Welt braucht Europa, das wahre Europa: Sie braucht seine Rolle als Brückenbauer und als Friedensstifter in seinem östlichen Teil, im Mittelmeerraum, in Afrika und im Nahen Osten.“

Europa derzeit in „stürmischer Situation“

Dabei lobte Franziskus die europäische Diplomatie des 20. Jahrhunderts. Sie habe den Traum verwirklicht, „mit dem Feind von gestern das Morgen zu bauen sowie Wege des Dialogs und der Integration zu eröffnen.“ Sie sei in der Lage, „selbst die schwächsten Zeichen der Entspannung zu erkennen und zwischen den krummsten Zeilen zu lesen.“

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sagte der Papst: „Im Ozean der Geschichte befinden wir uns gerade in einer stürmischen Situation.“ Europa müsse sich fragen lassen, wohin es steuert, wenn es der Welt keinen Friedenskurs vorschlägt und keine kreativen Wege, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.

Einfallsreichtum, um Kriegsherde zu löschen

Weiter sagte der Papst: „Ich träume von einem Europa als dem Herzen des Westens, das seinen Einfallsreichtum dafür einsetzt, Kriegsherde zu löschen und Lichter der Hoffnung zu entzünden; ein Europa, das es versteht, seine junge Seele wiederzuentdecken, das von der Größe des Zusammenseins träumt und über die Bedürfnisse des Augenblicks hinausgeht; ein Europa, das Völker und Menschen einbezieht, ohne ideologischen Theorien und Kolonialisierungen hinterherzulaufen.“

Kritik an Umgang mit vulnerablen Gruppen

Zugleich kritisierte Franziskus, dass heute paradoxerweise menschliches Leben vor dem Wegwerfen geschützt werden müsse. Er erwähnte ungeborene Kinder, ältere Menschen und Migranten. „Wohin steuert ihr, Europa und Westen, mit der Ausgrenzung älterer Menschen, den Mauern mit Stacheldraht, den Massakern auf See und den leeren Wiegen? Wohin steuert ihr, wenn ihr angesichts des Leidens im Leben (…) falsche Heilmittel anbietet, wie den einfachen Zugang zum Tod?“

WJT Gelegenheit, etwas gemeinsam aufbauen

Mit Blick auf den Weltjugendtag in Lissabon sagte der Papst: „Junge Menschen aus der ganzen Welt (…) fordern uns heraus, ihre Träume vom Guten zu verwirklichen. Sie sind nicht auf der Straße, um ihre Wut herauszuschreien, sondern um die Hoffnung des Evangeliums mitzuteilen. Und wenn heute vielerorts ein Klima des Protests und der Unzufriedenheit herrscht, ein fruchtbarer Boden für verschiedene Arten des Populismus und Verschwörungstheorien, so ist der Weltjugendtag eine Gelegenheit, etwas gemeinsam aufzubauen.“

Ausdrücklich sprach der Papst den Menschen Dank und Ermutigung zu, die sich um andere kümmern, und nannte dabei auch „die Kirche vor Ort, die fernab vom Rampenlicht so viel Gutes tut“.