EIne Kardinalschnitte und ein Kaffee
L.Heiner/Franziska Liepe
L.Heiner/Franziska Liepe
Katholikentag 1933

90 Jahre Kardinalschnitte

Vor 90 Jahren, anlässlich des Katholikentags 1933, hat die k. u. k. Hofzuckerbäckerei Heiner die Kardinalschnitte erfunden. Die Farben Gelb und Weiß der Biskuit- und Baisermasse repräsentieren die Farben des Vatikans. Hintergrund der Süßspeise ist die Verehrung eines äußerst umstrittenen Politikers der Zwischenkriegszeit.

Erfinder des Desserts war Ludwig Heiner, der die Mehlspeise zu Ehren des Kardinals Theodor Innitzer kreierte, schreibt die Konditorei in einer Aussendung. Heiner sei sehr katholisch gewesen, sagen die Nachfahren, die das Unternehmen in sechster Generation führen, zu religion.ORF.at.

Ob der Kardinal die Mehlspeise selbst probiert hat, ist nicht überliefert, viele Dokumente der Familie Heiner seien bei einem Bombeneinschlag 1944 vernichtet worden. Jedenfalls habe eine räumliche Nähe der Heiner-Backstube zum erzbischöflichen Palais in der Wollzeile im ersten Bezirk in Wien bestanden, so die Heiner-Nachfahren.

Umstrittener Geistlicher

Der umstrittene Geistliche und Politiker Innitzer war zunächst Professor an der Universtät Wien, ab 1930 Sozialminister und ab 1932 Erzbischof der Erzdiözese Wien. 1933 wurde er zum Kardinal ernannt. Ebenfalls im März 1933 wurde das österreichische Parlament aufgelöst. Politik und Kirche waren zu der Zeit eng verwoben, und Innitzer unterstützte sowohl die Auflösung des Parlaments als auch den darauf folgenden diktatorischen Ständestaat.

Theodor Innitzer 1932
Public Domain
Theodor Innitzer 1932

Katholikentag zur „Rechristianisierung“

Um die „Rechristianisiserung Europas“ voranzutreiben, ließ Innitzer von 7. bis 12. September 1933 den „Allgemeinen Deutschen Katholikentag“ in Wien ausrichten, anlässlich dessen der Konditormeister die Kardinalschnitte zu erzeugen begann und dessen 90. Jahrestag heuer begangen wird. Auch wenn die Umstände der Entstehung der Kardinalschnitte heute einen unguten Beigeschmack haben, setzte sich die Mehlspeise durch und etablierte sich fest in den Konditoreien.

Vatikan-Fahne auf Flugzeug
APA/AFP/Andreas Solaro
Die Kardinalschnitte soll die Farben des Vatikans symbolisieren

Beliebtes Dessert

Bei dem ursprünglichen Rezept handle es sich um ein Dessert aus einer lockeren Eischneemasse, kombiniert mit Biskuit und gefüllt mit Marillenmarmelade, so die Aussendung der Konditorei. Mittlerweile gibt es die Kardinalschnitte auch in abgeänderter Form, zum Beispiel mit Erdbeer- oder Kaffeecreme (und mit Schlagobers). Heute ist die Kardinalschnitte ein Klassiker unter den österreichischen Mehlspeisen und ein weltweit beliebtes Dessert.

Details zur Herstellung

Details über die Herstellung der Schnitte verrät der aktuelle Firmenchef und Urenkel von Heiner, Konditormeister Michael Stuller: „Zuerst werden Streifen aus weißem Eischnee in zwei Etagen auf ein Backpapier aufgespritzt, mit den gelben Biskuitstreifen ergänzt und gezuckert, damit sich eine Karamellschicht bildet und eine schöne Oberfläche entsteht.

Anschließend kommt die Kardinalschnitte für 30 bis 35 Minuten in den Ofen, wird dann gestürzt, mit Marillenmarmelade bestrichen und schließlich zusammengeklappt. Sobald die Schnitte abgekühlt ist, wird sie in Stücke geschnitten.“ Die k. u. k. Hofzuckerbäckerei Heiner ist seit 183 Jahren durchgehend in Familienbesitz. Das Unternehmen hat sechs Standorte und etwa 135 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Zuckerbäckerhandwerk wurde im Oktober 2022 in die Liste des immateriellen Kulturerbes Österreichs aufgenommen.