Die Hände eines Buben, die eine brennende Kerze in Blütenform halten
Reuters/Thomas Peter
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Studie

Religion in China: Viel Spiritualität, wenig Institution

Viele chinesische Erwachsene praktizieren eine Religion oder haben religiöse Überzeugungen, aber nur einer von zehn identifiziert sich offiziell mit einer Religion. Das ergab eine mehrjährige Studie des US-amerikanischen Pew-Centers, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Am häufigsten sind demnach Traditionen, die buddhistische, taoistische, konfuzianische und andere Glaubensvorstellungen und Praktiken miteinander verbinden. Dabei haben sich der Glaube und die religiösen Praktiken im untersuchten Zeitraum (seit 2010) nicht merklich verändert, so das Zentrum in einer Zusammenfassung der Studienergebnisse.

Die Pew-Studie analysierte mehr als ein Jahrzehnt chinesische wissenschaftliche Erhebungen und Daten der chinesischen Regierung zum Thema Religion. Demnach bewegt sich der Anteil der chinesischen Erwachsenen, die in irgendeiner Weise als religiös bezeichnet werden können, zwischen zehn und 50 Prozent – je nach Fragestellungen der erhebenden Stellen.

Etwa vier Prozent der erwachsenen Chinesinnen und Chinesen bekennen sich offiziell zum Buddhismus, zwei Prozent zum Christentum und weitere zwei Prozent zum Islam, schreibt das Pew Center. Darüber hinaus bekennen sich drei Prozent zu Glaubensrichtungen, die die CGSS als „Volksreligionen“ kategorisiert.

Glaube an nur eine Gottheit selten

Ein ausschließlich monotheistischer Glaube ist in China selten. Während beispielsweise etwa sieben Prozent angeben, dass sie an Jesus Christus und/oder Tianzhu, ein von chinesischen Katholiken verwendetes Wort für Gott, glauben, sind es nur zwei Prozent, die gleichzeitig alle anderen Gottheiten ablehnen.

Frauenhände halten ein Bündel brennender Räucherstäbchen in die Höhe
Reuters/Umit Bektas
Viele chinesische Erwachsene praktizieren eine Religion oder haben religiöse Überzeugungen, aber nur einer von zehn identifiziert sich offiziell mit einer Religion

Westliche Definitionen von Religion und Maßstäbe für religiöse Teilhabe – wie etwa die Teilnahme an Gottesdiensten – passen zwar zu den monotheistischen Religionen des Christentums, des Islams und des Judentums, sind aber laut Pew Research Center weniger geeignet für traditionelle Glaubensvorstellungen und Praktiken in Ostasien.

Formaler Religionsbegriff

Ein besonderer Schwerpunkt der Studie liegt auf dem chinesischen Religionsbegriff (zongjiao), der sich in der Regel auf formale, organisierte Religion bezieht, aber viele traditionelle chinesische spirituelle Überzeugungen und Praktiken nicht erfasst. Die formale Religionszugehörigkeit – gemessen anhand von Erhebungsfragen, die nach zongjiao fragen – ist gering und hat in den letzten Jahren nicht zugenommen.

Sendungshinweis

China: Wiederkehr des Buddhismus in der Praxis, 6. September 2023, 16.05 Uhr, in Ö1

Für 13 Prozent der Erwachsenen in China ist Religion in ihrem Leben entweder „sehr wichtig“ oder „ziemlich wichtig“, so das Pew Center. Dennoch werden traditionelle chinesische spirituelle Überzeugungen und Praktiken von vielen Chinesinnen und Chinesen befolgt, unabhängig davon, ob sie eine formale religiöse Zugehörigkeit haben oder nicht.

Spirituelle Traditionen weit verbreitet

Die Erhebungen zeigen eine große Zahl an Personen, die an verschiedene taoistische Gottheiten glauben, religiöse Praktiken wie das Verbrennen von Räucherstäbchen zur Verehrung von Gottheiten ausüben und an Buddha oder andere erleuchtete Wesen glauben.

Eine Frau schreibt chinesische Schriftzeichen auf einen Grabstein
APA/AFP/Jade Gao
Der Besuch von Gräbern ist Teil der konfuzianischen Tradition der Ahnenverehrung

So besuchten 75 Prozent der chinesischen Erwachsenen laut CGSS 2018 im vergangenen Jahr mindestens einmal die Grabstätte eines Familienmitglieds. Der Besuch von Gräbern ist Teil der konfuzianischen Tradition der Ahnenverehrung. Weiters sei es 62 Prozent „etwas“ oder „sehr“ wichtig, einen glücksverheißenden Tag für besondere Ereignisse wie Hochzeiten, Beerdigungen oder den Umzug in ein neues Heim zu wählen. Diese Praxis hat ihre Wurzeln in der chinesischen Volksreligion.

Akademische Analysen zusammengeführt

Zu den Datenquellen der Studie gehören mehrere Umfragen, die von akademischen Gruppen in China durchgeführt wurden, darunter der Chinese General Social Survey, die China Family Panel Studies, der China Labor-force Dynamics Survey und der World Values Survey.

Die Analyse von Sekundärdaten über Religion in China durch das Pew Research Center ist Teil des Pew-Templeton-Projekts Global Religious Futures, das den globalen religiösen Wandel und seine Auswirkungen auf die Gesellschaften zu verstehen versucht. Das Projekt „Global Religious Futures“ wird von The Pew Charitable Trusts und der John Templeton Foundation finanziert.