Umgang mit Muslimen

Abaja-Verbot entfacht Debatte um Laizismus in Frankreich

Das Verbot von Abajas an Schulen hat in Frankreich eine neue Debatte über die Trennung von Staat und Religion und den Umgang mit Musliminnen und Muslimen ausgelöst. Mit Beginn des neuen Schuljahrs dürfen Schülerinnen die in vielen islamischen Ländern üblichen langen Überkleider nicht mehr tragen.

Während die Befürworter die Schulen als neutrale Orte ohne religiösen Druck bewahren wollen, bewerten Kritiker die Anordnung des Bildungsministeriums als Stigmatisierung von Musliminnen und Muslimen.

„Es ist traurig zu sehen, wie der Schulanfang politisch durch einen neuen absurden, völlig künstlichen Religionskrieg wegen eines weiblichen Kleidungsstücks polarisiert wird“, schrieb der linksgerichtete Politiker Jean-Luc Melenchon im Kurzbotschaftendienst X (früher Twitter) und rief zu „zivilem Frieden“ und „wahrem Laizismus“ auf, „der eint, anstatt gegeneinander aufzubringen“.

Warnung vor „Kleiderpolizei“

Clementine Autain von der linkspopulistischen Partei LFI nannte das geplante Verbot „verfassungswidrig“ und warnte vor einer „Kleiderpolizei“ an den Schulen. Beim Betreten eines Klassenraums dürfe nicht zu erkennen sein, welcher Religion die Schülerinnen und Schüler angehören, begründete Bildungsminister Gabriel Attal seine Entscheidung. Seiner Ansicht nach verstößt das Tragen der Abaja in Schulen gegen den Grundsatz der Trennung von Staat und Religion.

Junge Frau mit Abaja und Hidschab in Paris
APA/AFP/Miguel Medina
Junge Frau mit Abaja und Hidschab in Paris

„Der Laizismus bedeutet die Freiheit, sich durch die Schule zu emanzipieren“, argumentierte Attal. „Unsere Schulen werden auf die Probe gestellt. In den vergangenen Monaten haben die Verstöße gegen unsere säkularen Regeln erheblich zugenommen, insbesondere durch das Tragen religiöser Kleidungstücke wie der Abaja oder dem Kamis“, einem langen Männerkleid, sagte der Minister.

Auffällige religiöse Symbole verboten

Seit 2004 sind an französischen Schulen auffällige religiöse Symbole verboten. Seither dürfen weder Kopftücher, noch größere Kreuze, Kippas oder Turbane getragen werden. Die Schulbehörden hatten jedoch Schwierigkeiten, das Tragen von Abajas zu regeln. Laut einer der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Statistik französischer Behörden nahmen Verstöße gegen das Laizismusgebot zwischen den Schuljahren 2021/2022 und 2022/2023 um 120 Prozent zu. In den meisten Fällen ging es dabei um das Tragen von religiösen Kleidungsstücken und Symbolen.

Über ein mögliches Verbot der Abaja wird seit Monaten in Frankreich debattiert, rechtsgerichtete Politiker forderten dies ein. Weniger als zwei Monate nach seinem Amtsantritt entschied Attal nun, Abajas komplett aus Schulen zu verbannen. Manche sehen darin den Versuch des ehrgeizigen 34-Jährigen, die Konservativen zu besänftigen und sich selbst zu profilieren.

„Kein religiöses Kleidungsstück“

Es ist umstritten, ob die bodenlangen Gewänder tatsächlich ein Zeichen von Religionszugehörigkeit sind, oder lediglich ein traditionelles Kleidungsstück aus dem Nahen Osten. „Die Abaja ist kein religiöses Kleidungsstück, sondern eine Form der Mode“, sagte Abdallah Zekri, der Vizepräsident des französischen Rates der Muslime.

In der arabischen Welt sei die Abaja „nicht grundsätzlich oder ursprünglich ein religiöses Kleidungsstück“, sagt auch Haoues Seniguer, Islamexperte am Institut für politische Studien in Lyon. Das hänge davon ab, welche Bedeutung die Trägerin der Abaja beimesse.

„Ein politischer Angriff“

Für Regierungssprecher Olivier Veran sind Abajas „offensichtlich“ religiöse Kleidungsstücke und „ein politischer Angriff“, wie er dem Fernsehsender BFMTV sagte. Er verglich das Tragen des Überkleides mit dem Versuch, Menschen zum Islam zu bekehren.

Noch vor Beginn des neuen Schuljahres am 4. September will Attal den Schulleitern klare Regeln zum Abaja-Verbot vorlegen. Es ist wahrscheinlich, dass es vor Gericht angefochten wird. Für Schulen könnte es schwierig werden zu entscheiden, in welchem Fall es sich bei einem weiten, verhüllenden Kleid um ein modisches oder religiöses Statement handelt.

Viele konservative Politiker in Frankreich versuchten in den vergangenen Jahren, das Verbot religiöser Symbole auf Universitäten auszuweiten und sogar auf Eltern anzuwenden, die Kinder auf Schulausflügen begleiten. Die französische Verfassung garantiert das Recht auf freie Religionsausübung, verpflichtet aber den Staat und die Staatsbediensteten zur Neutralität.