Rom

Liste von Juden in Kirchenverstecken entdeckt

Mehr als 4.300 Personen haben sich im Zweiten Weltkrieg in kirchlichen Häusern in Rom vor dem Zugriff der Nazis versteckt. Eine nun entdeckte, verschollen geglaubte Liste nennt die Namen von 3.600 dieser Menschen, die zum Großteil Jüdinnen und Juden waren.

Das Dokument wurde im Archiv des Päpstlichen Bibelinstituts entdeckt und am Donnerstag laut Kathpress im Museum der jüdischen Gemeinde in Rom präsentiert. Das Schriftstück liefert wichtige Informationen über die Rettung von Juden durch katholische Orden in Rom, wie die mit der Untersuchung der Liste beauftragten Historiker betonten.

Eine bisher bekannte Dokumentation habe nur Zahlen genannt, aber keine Namen. Von den 3.600 namentlich genannten Personen waren rund 3.200 mit Sicherheit Jüdinnen und Juden, wie ein Abgleich mit dem Archiv der Jüdischen Gemeinde zeigt.

Jahrzehntelang verschollene Liste

Erstellt hatte das Schriftstück der italienische Jesuit Gozzolino Birolo unmittelbar nach der Befreiung Roms durch die Alliierten 1944. Er war damals mit der Verwaltung des Päpstlichen Bibelinstituts betraut, das von dem Jesuiten Augustin Bea geleitet wurde. Der spätere Kardinal Bea setzte sich für den jüdisch-katholischen Dialog ein.

Birolos Liste galt über Jahrzehnte als verschollen. 1961 veröffentlichte der Faschismusforscher Renzo de Felice eine Dokumentation mit 100 bzw. 55 Häusern von Frauen- und Männerorden, die verfolgten Menschen Schutz vor den Nazis gewährten. De Felice zählt ebenso viele Betroffene in kirchlichen Verstecken wie Birolo – allerdings ohne Namen.

In Rom lebten zu Beginn des Zweiten Weltkriegs etwa 10.000 bis 15.000 Jüdinnen und Juden. Nachdem Italiens Regierung einen Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatte, besetzten die Deutschen ab 10. September 1943 die Hauptstadt. In der Nacht zum 16. Oktober befahl der deutsche Sicherheitspolizei-Chef Herbert Kappler eine Razzia im jüdischen Wohnviertel. Insgesamt deportierten und ermordeten die Nazis etwa 2.000 Menschen. Etlichen gelang es, sich zu verstecken, bis die Alliierten im Juni 1944 die Stadt befreiten.

Undatiertes Foto vpn Papst Pius XII.
Reuters/Osservatore Romano
Papst Pius XII. (1876–1958) setze sich für die Rettung von Jüdinnen und Juden ein

Das wiederentdeckte Schriftstück wird von Historikern der Jüdischen Gemeinde Roms, der Päpstlichen Fakultät für Erziehungswissenschaften Auxilium, der Päpstlichen Universität Gregoriana, des International Institute for Holocaust Research in Yad Vashem und des Päpstlichen Bibelinstituts untersucht. Um die Nachfahren zu schützen, ist der Zugriff auf die Liste derzeit eingeschränkt.

Einsatz für Rettung von Juden

Der damalige Papst Pius XII. (1876–1958) wurde in den vergangenen Jahrzehnten heftig kritisiert, weil sein Umgang mit Nazi-Deutschland zu zurückhaltend gewesen sein soll. Eugenio Pacelli wurde zudem vorgeworfen, in den Jahren des Zweiten Weltkriegs zum Thema Holocaust geschwiegen zu haben. Seine Verteidiger weisen darauf hin, dass der Papst sich für die Rettung von Juden in Italien und zahlreichen Ländern durch Einrichtungen der Kirche und des Vatikan eingesetzt hat.

Außerdem verfasste der erfahrene Kirchendiplomat noch als Kardinalstaatssekretär das unter seinem Vorgänger Pius XI. veröffentlichte deutschsprachige Papstschreiben „Mit brennender Sorge“, das die nationalsozialistische Ideologie verurteilte.