Papst Pius XII. bei einer Ansparche auf dem Petersplatz, undatieres Archivbild
APA/AFP/ANSA/STRINGER
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Archive

Pius XII. wusste von NS-Konzentrationslagern

Aus den vatikanischen Archiven ist ein Brief aufgetaucht, der einen Einblick in die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs und die Position von Papst Pius XII. gibt. Sicher ist: Der Papst wusste von den Konzentrationslagern und der Massenvernichtung der Juden, die dort täglich stattfand.

Das geht aus einem bisher unveröffentlichten Dokument hervor, über das die Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Samstag-Ausgabe) exklusiv berichtet. Der Brief stammt von dem deutschen Jesuiten, Lothar König, einem Verbindungsmann zwischen dem Erzbischof von München, einem Gegner des Nationalsozialismus, und dem Vatikan.

Der Brief wurde von Pater Robert Leiber, Sekretär von Pius XII, empfangen. Darin wird über die KZ-Lager Dachau und Auschwitz berichtet. Der Brief wurde von Giovanni Coco, Archivar und Forscher im Vatikanischen Archiv, gefunden.

„Versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen“

„Es handelt sich um einen einzigartigen Brief, der von großem Wert ist. Wir versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen, auch um die schreckliche Zeit zu verstehen, in der Pius XII. die Kirche leitete“, erklärte Coco weiter. Der Historiker hofft, dass dieses neue Dokument dazu beitragen wird, Klarheit zu schaffen.

Papst Pius XII. bei einer Ansparche auf dem Petersplatz, undatieres Archivbild
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Papst Pius XII.

„Wir haben mehr als ein halbes Jahrhundert lang über indirekte Dokumente und Quellen debattiert. Jetzt verfügen wir über Material aus erster Hand, und wahrscheinlich werden noch weitere Dokumente hinzukommen. Wir bemühen uns, sie allen so zugänglich wie möglich zu machen, damit die schreckliche Zeit, in der Pius XII. die Kirche führte, verstanden werden kann. Alles muss ans Licht kommen, ohne Angst oder Vorurteile. Das ist es, was wir in den letzten Jahren hier im Archiv getan haben“, so Coco in einem Interview mit der Literaturbeilage „La Lettura“ von „Corriere della sera“.

Teil der Archive geöffnet

Der Vatikan hatte bereits im vergangenen Jahr einen Teil seines Archivs mit Dokumenten zur Judenverfolgung aus der Zeit des Nationalsozialismus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Interessierte können im Internet Briefe aus dem Pontifikat von Pius XII. einsehen, die Bitten jüdischer Menschen in Europa aus der Zeit der Verfolgung durch die Nazis enthalten.

Pius XII – mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli – wird seit Langem kritisiert, weil sein Umgang mit dem Nazi-Deutschland zu zurückhaltend gewesen sein soll. Ihm wurde zudem vorgeworfen, in den Jahren des Zweiten Weltkriegs zum Thema Holocaust geschwiegen zu haben.

Verteidiger verweisen auf Rettung von Juden

Seine Verteidiger weisen darauf hin, dass der Papst sich für die Rettung von Jüdinnen und Juden in Italien und anderen Ländern durch Einrichtungen der Kirche und des Vatikan eingesetzt hat. Außerdem verfasste der erfahrene Kirchendiplomat noch als Kardinalstaatssekretär das unter seinem Vorgänger Pius XI. veröffentlichte deutschsprachige Papst-Schreiben „Mit brennender Sorge“, das die nationalsozialistische Ideologie verurteilte.

Das Klima der Bedrohung im Vatikan während der Jahre des Zweiten Weltkriegs durch die Nazis wird auch durch einen Dolch mit dem Hakenkreuz der SS belegt, der in der Wohnung von Pius XII. gefunden wurde, berichtete „Corriere della Sera“. Der Dolch wurde von Papst Johannes XXIII. entdeckt.

Schwester Pascalina Lenhert, Haushälterin von Pius XII., berichtete auf Frage von Johannes XXIIII, dass der Dolch von einem SS-Soldaten zu einer Audienz gebracht worden war. Damit hätte er Pius XII. töten sollen. Der Soldat hatte jedoch auf die Tat verzichtet und den Dolch später Pius XII. bei einer Audienz im Vatikan geschenkt.