Holocaust

Vatikan-Archive zu Pius XII.: „Paradigmenwechsel“

Die seit 2020 zugänglichen Vatikan-Archive aus dem Zweiten Weltkrieg zwingen nach Überzeugung des deutschen Historikers Hubert Wolf zu einem mehrfachen „Paradigmenwechsel“ in der Forschung.

Dies gelte insbesondere für knapp 1.700 Hilfsgesuche von verfolgten Jüdinnen und Juden an Papst Pius XII., die Wolf und sein Team derzeit untersuchen. Auch die Frage, ob der Papst sich mit öffentlichen Protesten gegen die Nazis zurückgehalten habe, um heimlich Tausenden jüdischen Menschen helfen zu können, müsse im Licht dieser Dokumente neu beantwortet werden.

Wolf äußerte sich am Dienstag im Rahmen eines internationalen Kongresses von Historikern und Theologen an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom.

Ein Gemälde von Papst Pius XII.
APA/AP/Gregorio Borgia
Ein Gemälde Papst Pius XII. in der Gregoria Universität in Rom

Wolf: Papst hatte nur begrenzte Möglichkeiten

Zu den veränderten Fragestellungen aufgrund der neu zugänglichen Akten zählt laut Wolf auch die Erkenntnis, dass der Papst trotz seiner Machtfülle innerhalb der Kirche in seinem realen Wirken nur begrenzte Möglichkeiten hatte.

Hier spielten bisweilen mangelnde Kompetenz und der Streit über Zuständigkeiten innerhalb seines Apparats, der vatikanischen Kurie, eine wichtige Rolle. Statt zu fragen, was der Papst angesichts des Holocaust getan habe, müsse nun gefragt werden, was der Vatikan als Ganzes getan habe.

Unterstützung für getaufte und nichtgetaufte Juden

Dies gelte auch für die Unterstützung des Vatikans für getaufte und nicht getaufte Jüdinnen und Juden. Der bisherige Aktenbefund zeige in überraschender Weise, dass in der Regel sowohl getauften als auch nicht getauften Juden und Jüdinnen geholfen wurde. Manchmal sei es sogar für die nicht Getauften einfacher gewesen, Hilfe vom Vatikan zu erhalten. Wolf führte aus, dass der Papst etwa zehn Prozent der Gesuche persönlich zur Kenntnis genommen und Hilfe veranlasst habe.