Krieg in Nahost

Papst bittet um Freilassung aller Geiseln

Papst Franziskus hat am Mittwoch die radikalislamische Hamas gebeten, alle Geiseln freizulassen. Zugleich äußert sich das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche besorgt über die Abriegelung des Gazastreifens durch Israel.

„Ich bete für die Familien, die miterlebt haben, wie sich ein Festtag in einen Tag der Trauer verwandelt hat, und ich bitte darum, dass die Geiseln sofort freigelassen werden“, sagte Franziskus bei der wöchentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatz in Rom.

Mit Blick auf Israels Vergeltung sagt er: "Es ist das Recht derjenigen, die angegriffen werden, sich zu verteidigen, aber ich bin sehr besorgt über die totale Belagerung, in der die Palästinenser in Gaza leben, wo es auch viele unschuldige Opfer gegeben hat. „Terrorismus und Extremismus tragen nicht zu einer Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern bei, sondern nähren Hass, Gewalt und Rache und führen nur zu gegenseitigem Leid“, so der Papst.

„Naher Osten braucht Frieden“

Der Papst mahnte: „Der Nahe Osten braucht keinen Krieg, sondern Frieden. Einen Frieden, der auf Gerechtigkeit, Dialog und den Mut der Brüderlichkeit aufgebaut ist.“ Er verfolge „mit Sorge und Schmerz, was in Israel und Palästina geschieht“. Während der Generalaudienz erinnerte der Papst zudem an die Opfer des Erdbebens in Afghanistan und rief zu Hilfe auf. In seine Katechese erwähnte er auch den bewaffneten Konflikt im Sudan, über den wenig geredet werde.

Papst Franziskus am 11.10.2023 bei einer Rede mit Mikrofon
APA/AP/Gregorio Borgia
Papst Franziskus plädiert für ein Ende der Gewaltspirale im Heiligen Land

EU-Bischöfe: Geiseln freilassen und Gewaltspirale stoppen

Zum sofortigen Ende der dortigen Kämpfe haben auch die Bischöfe der Europäischen Union aufgerufen. „Terrorismus und Krieg führen zu keiner Lösung, sondern nur zu Tod und Leid so vieler unschuldiger Menschen“, schrieb der Vorsitzende der Kommission der EU-Bischofskonferenzen (COMECE), Mariano Crociata, in einer Stellungnahme vom Dienstag. Er appellierte an die beteiligten Parteien, „die Angriffe einzustellen, die entführten Geiseln freizulassen und die Spirale der Gewalt zu stoppen“.

Ähnlich wie Papst Franziskus äußerte auch Crociata „tiefe Trauer und Sorge“ angesichts der „aktuellen Berichte aus dem Heiligen Land über die massiven Angriffe aus dem Gazastreifen auf unschuldige Zivilisten in Israel und die eskalierende Gewaltspirale mit Hunderten von Toten und Verletzten“. Für alle Opfer und deren Familien würden die Bischöfe der EU beten und seien mit ihnen solidarisch. Ebenso riefen die Bischöfe auch alle Gläubigen zum Gebet um Frieden in Israel und Palästina auf.

„Zur Deeskalation beitragen“

Die internationale Gemeinschaft sowie auch die EU mögen „alle Anstrengungen unternehmen, um zu einer Deeskalation der Situation beizutragen“, forderte der Kommissionsvorsitzende. Gleichzeitig gelte es auch, die Grundrechte aller Menschen in der Region zu gewährleisten und den historischen und rechtlichen Status Quo aller Heiligen Stätten zu respektieren.

Bemühungen um einen dauerhaften und nachhaltigen Frieden in der Region des Nahen Ostens auf Grundlage des Völkerrechts, der Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung aller Menschen seien „dringend erforderlich“, schrieb Crociata. Daran solle das anhaltende Blutvergießen die ganze Welt erinnern.

UNO: Gewalt muss beendet werden

Auch das UNO-Menschenrechtsbüro in Genf ist tief besorgt über die Eskalation der Gewalt zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen. „Die Gewalt muss beendet werden“, sagte die Chefsprecherin des Büros, Ravina Shamdasani, der Deutschen Presse-Agentur in Genf am Mittwoch. „Geiseln müssen freigelassen werden. Die israelischen Behörden müssen von der Abriegelung des Gazastreifens Abstand nehmen und Hassreden, die die Gewalt weiter befeuern, müssen aufhören.“

Das Büro stellt Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht auf beiden Seiten fest. „Das humanitäre Völkerrecht muss aber immer voll respektiert werden. Taten einer Seite, die das humanitäre Völkerrecht verletzen, entbinden die andere Seite nicht von der Verpflichtung, es einzuhalten“, sagte Shamdasani.

Verstöße gegen Völkerrecht auf beiden Seiten

Die Gewalt der Hamas vom Wochenende hatte der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, schon am Dienstag verurteilt. „Wahllos Raketen nach Israel abzufeuern und Menschen als Geiseln zu nehmen ist ein klarer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“, betonte Shamdasani erneut.

Sie wiederholte aber auch Türks Kritik an der von Israel verkündeten völligen Abriegelung des Gazastreifens. Israels Grenze zum Gazastreifen ist etwa 50 Kilometer lang, die von Ägypten rund 13 Kilometer. Außerdem ist eine Seeblockade in Kraft.

Israel hat die Lieferung von Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Strom und Treibstoff gestoppt. Türk verwies darauf, dass es nach humanitärem Völkerrecht verboten ist, Menschen das vorzuenthalten, was sie zum Überleben brauchen. „Eine Abriegelung kommt einer Kollektivstrafe gleich, das ist im humanitären Völkerrecht verboten“, sagte Shamdsani.

Rotes Kreuz: Humanitäres Völkerrecht universell

Das humanitäre Völkerrecht soll Zivilisten und Menschen, die in bewaffneten Konflikten nicht mehr an Kampfhandlungen beteiligt sind, schützen. Kern sind die vier Genfer Konventionen von 1949 und einige Zusatzprotokolle.

„Das humanitäre Völkerrecht (HVR) ist universell: Alle Parteien, die sich an den Feindseligkeiten in einem Konflikt beteiligen, sind verpflichtet, das HVR einzuhalten, unabhängig davon, ob es sich um Regierungskräfte oder um nicht-staatliche bewaffnete Gruppen handelt“, schreibt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).