zahlreiche Frauen bei einem Protest
Yael Deckelbaum – Prayer of the Mothers
Yael Deckelbaum – Prayer of the Mothers
Ausstellung

Jüdisches Museum: Die Sehnsucht nach Frieden

Das aktuelle, von Kriegen dominierte Tagesgeschehen macht wenig Hoffnung – dennoch begibt sich das Jüdische Museum Wien auf die Suche nach dem „Frieden“. Die bereits im Sommer gestaltete Ausstellung bekam durch den Nahost-Krieg eine unerwartete Tiefe.

Kuratorin Adina Seeger und Kurator Tom Juncker hätten in der unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges entstandenen Schau leichte Adaptierungen vorgenommen und „dort reagiert, wo Dinge sich auf das Thema Nahost beziehen“, so Seeger gegenüber religion.ORF.at im Rahmen einer Presseführung. Museumsdirektorin Barbara Staudinger sagte, man dürfe „gerade in Zeiten des Krieges nicht auf den Frieden vergessen“.

„Der Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 macht die Allgegenwärtigkeit von Gewalt und Krieg auf tragische Weise deutlich und streicht die Bedeutung und Aktualität der Ausstellung hervor“: So steht es gleich am Anfang der Ausstellung zu lesen. Unter diesem Vorzeichen wirkt manch ein Exponat geradezu tragisch – allen voran ein Video über das Friedensengagement israelischer und palästinensischer Frauen.

Yael Deckelbaum: „Prayer of the Mothers“

Video zu „Prayer of Mothers“

Frauen für Frieden

„Women Wage Peace“, 2014 nach dem Gaza-Krieg gegründet, zählt heute 45.000 israelische Mitglieder. Das Video „Prayer of the Mothers“ (Yael Deckelbaum, 2016) zeigt Aktivistinnen, die mit gleichgesinnten palästinensischen Frauen singen und demonstrieren. Zu Wort kommt auch die liberianische Friedensnobelpreisträgerin Leyma Gbowee. Die letzte Kundgebung der Frauen für den Frieden fand am 4. Oktober statt. Bittere Randnotiz: Eines der Gründungsmitglieder von „Women Wage Peace“, Vivian Silver, sei vermutlich am 7. Oktober verschleppt worden, so Kuratorin Seeger.

Ausstellungshinweis

„Frieden“, Jüdisches Museum, Judenplatz 8, 1010 Wien, 7. November 2023 bis 26. Mai 2024

In diesem Zusammenhang könnten Besucherinnen und Besucher der Schau „Frieden“ durchaus mit der Aussage des Kunstwerks „The Only Thing Left To Do With The Oslo Accords“ (Andi Arnowitz, 2016) konform gehen, die da lautet: „Das Einzige, was man mit den Osloer Verträgen noch tun kann“ – die Dokumente des vielversprechenden Abkommens von 1995 sind hier ironisch-säuberlich auf Klopapierrollen festgehalten.

„The Only Thing Left To Do With The Oslo Accords“ (Andi Arnowitz, 2016) in der Ausstellung „Frieden“, Jüdisches Museum Wien
Foto: ORF/Johanna Grillmayer
Das Osloer Abkommen auf Klopapier: „The Only Thing Left To Do With The Oslo Accords“, Andi Arnowitz, 2016

Rückblick auf friedensbewegte Zeiten

An hoffnungsfrohere Zeiten erinnert etwa die „Fahne des gelobten Landes“ von Friedensreich Hundertwasser (1978), die Davidstern und Halbmond auf einer Fahne vereint. Die Friedensbewegungen des 20. Jahrhunderts sind im Jüdischen Museum unter anderem durch ein Foto des Sozialpsychologen und Friedensforschers Herbert C. Kelman bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg in der US-Haupstadt Washington und ein Plakat repräsentiert, das 1982 zu einer Friedens- und Anti-Atom-Demo in Wien aufrief.

Der Sozialpsychologe und Friedensforscher Herbert C. Kelman bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg in Washington, D.C., undatiert, Fotografin/Fotograf unbekannt
Herbert C. Kelman Institute for Interactive Conflict Transformation
Der Sozialpsychologe und Friedensforscher Herbert C. Kelman bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg in Washington

„Shalom“ oder der Frieden in den Religionen

Den Verflechtungen von Frieden und dem Judentum mit Politik, Recht, Feminismus, Umwelt und Krieg geht die Ausstellung in drei Räumen nach, abgerundet wird die Schau mit Partizipationsangeboten. Der großen Bedeutung, die das Streben nach Frieden in den Religionen hat, wird unter anderem mit einer Erklärung und grafischen Darstellung des Begriffs „Shalom“ Rechnung getragen. Die Ausstellung präsentiert Kunstwerke unter anderen von Larry Abramson, Andi Arnovitz, Zoya Cherkassky-Nnadi, Lenore Cohen, Astrid Rothaug und Osama Zatar.

Der Beitrag der ukrainischen Künstlerin Cherkassky-Nnadi stellt das Leben in Friedens- dem in Kriegszeiten gegenüber. Zatars „Isaiah #1“ hat das berühmte Bibelzitat aus Jesaja 2,4 zum Inhalt: Statt „Schwertern zu Pflugscharen“ wurde hier eine Schusswaffe zu einer friedlichen Schaufel.

Osama Zatar: „Isaiah #1“
Osama Zatar
Gewehr zu Schaufel: Osama Zatars „Isaiah #1“

Das wuchtige Ölgemälde „Between War and Peace“ (1995) von Vitaly Komar und Alexander Melamid, eine Leihgabe aus dem Wiener mumok, dominiert den Hauptraum. Es zeigt das berühmte Motiv der Alliiertenpolitiker Winston Chruchill, Franklin D. Roosevelt und Josef Stalin, die im Februar 1945 auf der Konferenz in Jalta zusammenkamen, um eine neue Ordnung für Europa zu verhandeln. Über den Politikern wacht ein in dramatisches Blutrot gekleideter Christus – eine einschüchternde Friedensvision.

„Between War and Peace“, Vitaly Komar und Alexander Melamid. Öl auf Leinwand, 1995. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, erworben 1999
mumok
„Between War and Peace“, Vitaly Komar und Alexander Melamid, 1995

Die wichtige Bedeutung von Frauen, allen voran der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner (1843–1914), für die Friedensbewegungen seit dem Ersten Weltkrieg wird anhand von Fotos und Dokumenten herausgearbeitet. Die Frauen von „Women Wage Peace“ kündigten übrigens vor wenigen Tagen an, ihren Kampf für den Frieden weiterzuführen.