Antisemitismus

Rabbiner: Regierungen werden mit Radikalisierung nicht fertig

Regierungen in Europa können oftmals nicht mit Radikalisierungen in ihren jeweiligen Gesellschaften umgehen, sagte der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, laut Nachrichtenagentur KNA im Interview der „Jüdischen Allgemeinen“ (Donnerstagsausgabe).

Wichtig sei die Frage, warum so viele Menschen populistische oder extreme Parteien wählten. „Die Antwort ist einfach: Unsere Regierungen werden mit dem Problem der Radikalisierung von Teilen der Gesellschaft nicht fertig.“, so Goldschmidt im Interview.

Auf die Frage, ob Vertreter der jüdischen Gemeinschaft mit solchen Parteien reden sollten, wenn diese an die Macht kämen, sagte Goldschmidt: „Was soll es bringen, eine gewählte Regierung zu boykottieren?“ Aber bevor solche Parteien an die Macht kämen, sollten jüdische Gemeinden ihre Stimme gegen sie erheben. „So passiert es ja auch fast überall in Europa.“

Skeptischer Blick in die Zukunft

Mit Blick auf Antisemitismus sagte Goldschmidt, er würde zwischen der Zivilgesellschaft, der Politik sowie Polizei und Justiz trennen. „Wenn diese drei Hand in Hand arbeiten, werden wir durchaus Erfolge im Kampf gegen diese Welle des Antisemitismus erleben.“

Was die Zukunft des Judentums in Europa angeht, zeigte sich der frühere Moskauer Oberrabbiner teilweise skeptisch: „Wenn wir auf Russland schauen, habe ich meine Zweifel. Je autoritärer dieses Land wird, desto weniger Juden werden dort verbleiben.“ Sollte es in der Ukraine einen „Marshallplan“ geben, mit dem nach dem Ende des Krieges alles wiederaufgebaut werde, gebe es durchaus Chancen, dass jüdisches Leben dort wieder erblühe.

„Und was die EU-Länder angeht: Viel hängt davon ab, ob es extreme Parteien an die Macht schaffen, und ob Europa ein Raum bleiben wird, der Freiheit, Sicherheit und Vielfalt auch für Juden garantieren kann“, betonte Goldschmidt.