Krieg

Christen in Nahost: Eindringlicher Friedensappell

Die Christen im Nahen Osten rufen in einem eindringlichen Appell die Weltgemeinschaft auf, sich für ein Ende des Krieges im Heiligen Land einzusetzen. Weihnachten wird heuer in Bethlehem nicht öffentlich gefeiert.

„Wir flehen die Machthaber um Hilfe an, einen Konflikt zu beenden, der seit mehr als einem Jahrhundert andauert, und den Weg zu einem gerechten Frieden auf der Grundlage von Gleichheit zu ebnen, damit dieser Krieg der letzte sein kann“, heißt es in einer am Sonntagabend verbreiteten Erklärung der Justice-and-Peace-Commission (Iustitia et Pax) der katholischen Bischöfe des Heiligen Landes.

Nach mehr als 70 Kriegstagen näherten sich die Christen im Heiligen Land in diesem Jahr „mit gebrochenem Herzen der Krippe in Bethlehem“, heißt es in dem Appell weiter. Tausende Männer, Frauen und Kinder – Palästinenser und Israelis – seien in der jüngsten Welle der Gewalt getötet worden. In Israel und den Palästinensergebieten leben rund 200.000 Christinnen und Christen.

Kritik an israelischer Armee

„In Gaza wurden in den letzten zwei Monaten mehr palästinensische Kinder getötet als in den letzten zwei Jahren in allen Weltkonflikten zusammen.“ Weiter heißt es unter anderem: „Wir beklagen den Verlust von Menschenleben, haben Angst um die Verwundeten, die kaum Zugang zu medizinischer Versorgung haben, und trauern um die Obdachlosen.“

Eine Krippeninstallation aus Schutt, auf dem eine Puppe (symbolisch für das Jesuskind) liegt. In der evangelisch-lutherischen Kirche in Bethlehem.
APA/AP/Mahmoud Illean
In der evangelisch-lutherischen Kirche in Bethlehem wurde eine Krippe aus Schutt installiert, die auf die Situation im Gazastreifen durch den Krieg Israels gegen die terroristische Palästinenserorganisation Hamas aufmerksam machen soll

Die Bischofskommission kritisiert zudem die israelische Armee. Deren Aktionen hätten in Bethlehem wie auch im gesamten Westjordanland viele Todesopfer gefordert und zu Massenverhaftungen geführt. Die Absperrung der Gebiete habe außerdem dafür gesorgt, dass „viele ihren Arbeitsplatz verloren haben und die Familien Schwierigkeiten haben, Essen auf den Tisch zu bringen.“ Die Weihnachtsfeierlichkeiten seien abgesagt worden, „damit wir als Christen mit allen, die im Krieg leiden, solidarisch sein können. Wir werden ermutigt, uns auf die tiefere Bedeutung von Weihnachten zu konzentrieren.“

Keine großen Weihnachtsfeiern in Bethlehem

Auf Anordnung des Bürgermeisters von Bethlehem, Hanna Hanania, gibt es heuer keine öffentlichen Weihnachtsfeierlichkeiten in Bethlehem. Wegen des Krieges trauere Bethlehem wie die übrigen Palästinenserstädte und könne diesmal nicht feiern, entschied Hanania.

Die örtlichen Vertreter verschiedener christlicher Konfessionen schlossen sich bedingt an: Natürlich werden die Christen in Gottesdiensten an die Geburt Christi vor 2.000 Jahren erinnern, aber ohne prunkvolle Feiern, ohne laute Trommlerchöre, stattdessen ruhig und konzentriert auf den geistigen Gehalt der Weihnachtsbotschaft. Und mit Gebeten für den Frieden im Heiligen Land.

Franziskaner: Bethlehem ist „Freiluft-Gefängnis“

Die katholische Kirche im Heiligen Land macht sich angesichts des Krieges Sorgen um die Präsenz der Christen in der Geburtsstadt Jesu. Das bevorstehende Weihnachtsfest drohe, insbesondere in Bethlehem traurig und einsam zu werden, berichtet Pater Ibrahim Faltas, Vikar und damit zweiter Mann in der für die Heiligen Stätten zuständigen Franziskaner-Kustodie von Jerusalem.

Wegen der fast kompletten Absperrung und des Ausbleibens der Touristen gleiche die Stadt einem „Freiluft-Gefängnis“, sagte Faltas am Wochenende im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Fatal sei dabei die Situation für die Christen, die rund 30 Prozent der Bevölkerung in der 30.000- Einwohner-Stadt südlich von Jerusalem ausmachen und ganz besonders vom Tourismus und vom Pilgerbetrieb abhängig sind.

Krieg „ein Desaster“

Faltas bezifferte die Zahl der Toten im Nahost-Krieg auf beiden Seiten auf 20.000 und die der Verletzten auf 50.000, da viele Getötete noch nicht unter den Trümmern und aus den zerstörten Häusern von Gaza geborgen seien. Rund 1,3 Millionen Menschen seien dort ohne Wasser, ohne Licht, ohne Medizin, ohne Nahrung, ohne alles: „In Gaza herrscht Krieg, es ist ein Desaster. Und auch im Westjordanland gibt es ständig Zusammenstöße und Zerstörung von Häusern. Seit dem 7. Oktober wurden dort etwa 300 Menschen getötet und 4.000 verhaftet“, berichtet der Geistliche.

Er habe unlängst mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas und dann auch mit dem Papst über den Rückgang der christlichen Präsenz im Heiligen Land gesprochen. Abbas sei darüber sehr besorgt und habe ihm einen Brief an den Papst mitgegeben. Papst Franziskus habe sich bereits mit zahlreichen Appellen für Frieden, für eine Waffenruhe und humanitäre Hilfe an die Welt und an die Politiker gewandt. „Er tut sehr viel und wird sich weiter für das Heilige Land einsetzen“, zeigte sich Faltas überzeugt.

Gebete für Ende der Gewalt

Iustitia et Pax im Heiligen Land ersucht die Christinnen und Christen in aller Welt um ihr Gebet „für ein Ende der Gewalt und die Freilassung aller Gefangenen“. Sie treten ein für „einen dauerhaften Waffenstillstand und den Anbruch einer Zeit des Dialogs statt der Unterdrückung, der Gerechtigkeit statt aufgezwungener Lösungen, des Zusammenlebens statt des Traums, einander loszuwerden.“