Justiz

Missbrauch in vatikanischem Seminar: Priester verurteilt

Ein vatikanisches Berufungsgericht hat am Dienstag einen Priester verurteilt, der demzufolge einen Mitschüler sexuell missbraucht hat, während beide eine Schule für päpstliche Ministranten besuchten. Erstinstanzlich war der Angeklagte 2021 freigesprochen worden.

Es handelt sich um die erste Verurteilung im Vatikan wegen sexueller Vergehen, berichteten italienische Medien. Der ursprüngliche Prozess, der vor vier Jahren begann, war der erste im Vatikan wegen sexuellen Missbrauchs auf vatikanischem Gebiet. Der Priester Gabriele Martinelli wurde vor Gericht gestellt, weil er eine Person, die nur als L.G. bekannt ist, über einen längeren Zeitraum von 2007 bis 2012 zu sexuellen Handlungen gezwungen haben soll, während beide am Priesterseminar St. Pius X. eingeschrieben waren.

Martinelli wurde auch der Bestechung eines Minderjährigen für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro (1.083 US-Dollar) verurteilt, die sich auf Vorfälle in den Jahren 2008-2009 bezieht. Der Priester gab keine unmittelbare Stellungnahme ab. Die vatikanische Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich eine sechsjährige Haftstrafe gefordert.

Internat zur Priester-Vorbereitung

Der Missbrauch ereignete sich im Vorseminar Pio X., die einzige Einrichtung im Vatikan, in der Minderjährige untergebracht waren. Die Schüler waren unter anderem als Ministranten bei Gottesdiensten im Petersdom tätig und werden auf ein Leben als Priester vorbereitet. Martinelli wurde nach dem Besuch des Priesterseminars geweiht.

Wegen des Prozesses und der damit verbundenen Vorwürfe hatte Papst Franziskus bereits vor einiger Zeit verfügt, das Internat in ein Gebäude außerhalb des Vatikans zu verlegen. Hintergrund des Verfahrens, das im Oktober 2020 begonnen hatte, war ein 2017 erschienenes Buch des italienischen Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi über Verfehlungen in der römisch-katholischen Kirche. Die Ermittlungen gegen Martinelli im Vatikan lief, seitdem Nuzzis Buch mit dem Titel „Peccato originale“ (Erbsünde) im November 2017 veröffentlicht wurde.

Ehemaliger Rektor wegen Verjährung freigesprochen

Im erstinstanzlichen Urteil war der damals ebenfalls angeklagte ehemalige Rektor des Priesterseminars, Pater Enrico Radice, aufgrund des Ablaufs der Verjährungsfrist von der Vertuschung des Missbrauchs freigesprochen worden. Sowohl Martinelli als auch Radice bestritten stets das Fehlverhalten und beschuldigten L.G., einen persönlichen Rachefeldzug gegen sie zu führen.

Die Vorwürfe basierten unter anderem auf Aussagen eines ehemaligen polnischen Ministranten. Dieser hatte berichtet, in dem Vorseminar im Vatikan von dem Seminaristen missbraucht worden zu sein. Dieser habe auch einen weiteren Ministranten missbraucht. Dieser war 13 Jahre alt, als er erstmals missbraucht wurde. Der Pole hatte auch berichtet, dass er seinem spirituellen Pater über die Vorfälle erzählt habe. Es seien jedoch keine Maßnahmen ergriffen worden, außer, dass der Ministrant aus dem Vorseminar entfernt wurde.