Wien

Tagung: Religionen für „Friedensnarrative“ nötig

Auf den Beitrag der Religionen zur Schaffung von „Friedensnarrativen“ in Krisen- und Konfliktzeiten hat eine hochrangig besetzte Konferenz bei den Vereinten Nationen in Wien hingewiesen. Die „World Interfaith Harmony Week“ dauert noch bis Mittwoch.

Heutige „pessimistische Narrative“ hätten oft Hass, extreme Gewalt und Flüchtlingskrisen zur Folge, sagte der Direktor des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), Jean-Luc Lemahieu bei einer Tagung im Rahmen der stets zu Februarbeginn veranstalteten UNO-Weltwoche der interreligiösen Harmonie („World Interfaith Harmony Week“). Religionen könnten hier eine Positiv-Wende bringen, Hoffnung vermitteln und als „Katalysatoren“ in Gesellschaft und Politik wirken.

Im Zeitalter der Globalisierung brauche es in jeder Glaubensrichtung „aufgeklärte Menschen, die ihre heiligen Schriften und Traditionen untersuchen und die Aspekte erkennen können, die der ganzen Menschheit zugutekommen können“, sagte der Friedensaktivist Peter Haider, Präsident der Universal Peace Federation (UPF) Austria (Vereinigungskirche), auf deren Initiative die Konferenz zustandekam.

Unterstützt wurde die Aktion neben UNODC auch von der United Nations Correspondents Association Vienna, der Coalition of Faith-Based Organizations (CFBO), der Youth and Students for Peace und der Women’s Federation for World Peace. Die Tagung dauert bis 7. Februar.

Mehr „Mut“ vonnöten

Da Narrative sich aus Emotionen speisen, scheitern rein rationale Argumentationen und echter Dialog mit der Suche nach einem Kompromiss häufig, bemerkte CFBO-Präsident Elmar Kuhn. Der Religionswissenschaftler, der auch Generalsekretär von „Christen in Not“ ist, forderte, den „Narrativen von Tod, Blut und Terror“ die „Narrative des Lebens und des Friedens“ entgegenzusetzen, um damit „Wälle gegen Hass und Gewalt aufzurichten“.

Kuhn sah hier besonders die Religionen gefordert. Aus dem Schatz ihrer Offenbarungsbotschaften, Spiritualität und „Kraft zu Versöhnung und Frieden“ sollten sie mutiger als bisher „in die Gesellschaft hineinwirken“ und mit ihren Narrativen „Brücken zu Hoffnung und Toleranz“ schaffen.

Beispielhafte Lösungswege

Aus mehreren Perspektiven wurden bei der Konferenz Ansätze der Versöhnung in Konflikten dargestellt. Etwa von der Geschäftsträgerin des Königreichs Jordanien in Österreich, Rana Abida, die auf die Erfahrung und Kompetenz ihres Landes bei der Entwicklung von Lösungswegen angesichts der großen Fragen im Nahen Osten hinwies.

Der ehemalige Diplomat und Umweltschutzunternehmer Afsar Rathor brachte als Moderator der Diskussion mit fast 300 Teilnehmern seine Erfahrungen aus der Versöhnungsarbeit zwischen Hutu und Tutsi nach dem Völkermord in Ruanda mit ein.

Auch Albanien wurde als Positiv-Beispiel erwähnt: Für sein Modell religiöser Toleranz und Koexistenz sei das Balkanland vorbildhaft, sagte die Linguistikerin Manjola Zacellari. Ein wichtiger Schlüssel dafür seien Familien sowie Investitionen in Bildung.

Ansätze aus den Religionen

Auch Friedensansätze aus den Religionen kamen beispielhaft zur Sprache. Vergebung, Selbsterkenntnis und Versöhnung sind unverzichtbare Elemente eines Wegs zum stabilen Frieden, erklärte der Wiener Mediziner und Theologe Johannes Huber anhand des Vaterunser-Gebets.

Hussain Mohi-ud-Din Qadri, stv. Vorsitzender der Minhaj-Universität im pakistanischen Lahore, betonte, dass Wertschätzung für einen christlichen Herrscher am Beginn der islamischen Tradition gestanden habe. Mohammed habe geflohene muslimische Familien zum König von Abessinien geschickt und diesen als einen „Quell der Wahrheit“ bezeichnet. In Pakistan sei man trotz oft anderer Realität bemüht, die Freiheit religiöser Minderheiten zu wahren.

Einzelpersonen können viel bewirken

Auf die Papst-Enzyklika „Laudato si“ kam die Wiener Physikerin Ille Gebeshuber zu sprechen. Umfassende Lösungen seien angesichts der hochkomplexen Herausforderungen der Gegenwart vonnöten, wobei es „lieber tausend kleine Schritte anstelle von verzögerten Maßnahmen“ zu unternehmen gelte.

Engagierte Einzelpersonen könnten viel zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen, so die Präsidentin des Katholischen Akademiker/innen Verbands Österreich. Auf den drei Ebenen Ressourcen, Kultur und Religion müsse Frieden erlangt werden, um Konflikte dauerhaft zu lösen und Kriege zu verhindern. Das Narrativ dafür müsse auf Wahrheit, Mitgefühl und Respekt vor dem Leben grundgelegt sein.

Von Theorie zu Praxis

Ein Aufruf, von theoretischer Diskussion über Religion zur praktischen Umsetzung von Liebe und Mitgefühl überzugehen, kam schließlich vom US-Schriftsteller und Filmemacher Joshua Sinclair. Zur Essenz des Friedens gehöre, „Leiden zu verstehen und anzunehmen“, wobei der Beitrag der Religionen zur Linderung des Leids der Marginalisierten, Schwachen und Bedürftigen der wahre Test ihrer Lehren sei.

Praktische Beispiele dafür nannte Elisabeth Maria Ziegler-Duregger von der Initiative United Religions (URI), darunter ein interreligiöses Hilfsprojekt, das 700 Kindern, Frauen und Senioren in nordsyrischen Flüchtlingszelten mit Nahrung, Wasser und Sanitärversorgung unterstützt. Die Expertin rief zu einer weltweiten Debatte über die Verantwortung von Unterstützern militärischer Aktionen vor; Gesetze sollten Einzelpersonen persönlich zur Verantwortung ziehen, plädierte sie.