Chalupka: „Haben kein Recht auf Ausbeutung"­

Kritik an der Enthaltung von Österreichs Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) an der Abstimmung zum EU-Lieferkettengesetz hat die evangelische Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ geäußert. Das Lieferkettengesetz war zuletzt auf EU-Ebene vertagt worden.

Unter anderem Österreich mit ÖVP-Wirtschaftsminister Kocher und Deutschland hatten im Vorfeld angekündigt, sich zu enthalten, was einem Nein gleichkam. Die geplante Abstimmung wurde von letzte Woche Freitag auf den 14. Februar verschoben. „Ich hoffe, dass Minister Kocher hier noch umdenkt“, sagte der evangelisch-lutherische Bischof und Schirmherr von „Brot für die Welt“, Michael Chalupka in einer Aussendung am Dienstag.

„Klare verlässliche Rahmenbedingungen gehören zu einer funktionierenden Marktwirtschaft und sie sollten nicht auf Kosten von Kindern, Frauen und Männern gehen, die von Ausbeutung bedroht sind“, mahnte Chalupka. Der vormalige Diakonie-Direktor erinnerte daran, dass sich Österreich der sogenannten „Hilfe vor Ort“ verschrieben habe.

Kritik an Wirtschaftsminister

Die beste „Hilfe vor Ort“ sei die, die gar nicht benötigt wäre, meinte Chalupka in Richtung Lieferkettengesetz, das Menschenrechtsverletzungen, wie Kinderarbeit oder ausbeuterische Arbeitsbedingungen und Umweltschäden präventiv verhindert wolle. „Wie kann es also sein, dass Wirtschaftsminister Kocher den Hardlinern unter den Industrielobbyisten nachgibt?“, fragte der Bischof.

Evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka
APA/Roland Schlager
Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka

Anlässlich des Beginns der Fastenzeit – oder im evangelischen Verständnis – der Passionszeit sagte Chalupka: „Wir haben kein Recht auf Ausbeutung und auf ein Leben auf Kosten der Menschen im Süden. Wer die Menschenrechte aus vermeintlich wirtschaftlichen Vorteilen in den Produktionsländern nicht schützt, untergräbt die Werte, die unser Zusammenleben ausmachen.“

Positiv strich Chalupka jene Handelsunternehmen heraus, die bereits jetzt auf menschenrechtliche Standards in ihren Lieferketten achteten. Solche hätten bereits im Dezember, gemeinsam mit Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen in einem „multistakeholder statement“ auf die rasche Beschlussfassung eines EU-Lieferkettengesetzes gedrängt.

Europaweiter Paradigmenwechsel

Die entwicklungspolitische Aktion der Diakonie und der evangelischen Kirche in Österreich, forderte einen Tag vor der nächsten Abstimmung einen europaweiten Paradigmenwechsel, „weg von freiwilligen Selbstverpflichtungen, hin zu verbindlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen“.

Das EU-Lieferkettengesetz müsse zügig durch das europäische Parlament und den Rat, damit das Gesetz noch vor den anstehenden EU-Wahlen verabschiedet werden kann. „Ein klarer Rechtsrahmen hilft nicht nur den ausgebeuteten Menschen und der Natur, es hilft auch den Unternehmen, die erkannt haben, dass ein gerechteres Wirtschaften langfristig allen Menschen zugutekommt“, so „Brot für die Welt“.

Gegen Kinder- oder Zwangsarbeit

Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen – mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bzw. in Risikosektoren mit mehr als 250 Beschäftigten – zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren.

Damit der Text verabschiedet werden kann, wäre eine qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der Mitgliedsstaaten oder 15 von 27 oder Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung abbilden) im Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten nötig. Bereits Anfang Februar hatten unter anderen die katholischen Bischöfe Werner Freistetter und Stephan Turnovszky an die österreichische Politik appelliert, dem EU-Lieferkettengesetz zuzustimmen.