Sexueller Missbrauch

Aktivistinnen werfen Papst Untätigkeit vor

Papst Franziskus ist in Sachen sexueller Missbrauch an Ordensfrauen durch Geistliche mit harscher Kritik konfrontiert: Mehrere Aktivistinnen, darunter die deutsche Theologin, Buchautorin und frühere Ordensfrau Doris Reisinger, werfen ihm vor, er schütze Priester, die Ordensfrauen vergewaltigt und zur Abtreibung gezwungen hätten.

Das berichtete der britische „Guardian“ (Onlineausgabe vom Dienstag). Der Papst sei „blind“ gegenüber Priestern, die Nonnen vergewaltigt und zu Abtreibungen gezwungen hätten, lauten die Vorwürfe. Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche habe sich Reformen entgegengestellt, die das Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern und „verletzlichen Erwachsenen“ in der Kirche ernsthaft angehen würden.

Papst Franziskus habe im Rahmen einer Versammlung mit Missbrauchsopfern und Aktivistinnen im Februar 2019 versprochen, keine Mühe zu scheuen, um pädophile Priester und die Bischöfe, die diese geschützt hätten, der Gerechtigkeit zu überantworten, hieß es weiter. Anne Barrett Doyle, Mitgründerin des Vereins „BishopAccountability“ warf dem Papst nun vor, dieses Versprechen nicht einzuhalten.

Mehr Transparenz versprochen

Franziskus hatte eine Woche vor der Versammlung als erster Papst öffentlich zugegeben, dass Priester auch Ordensfrauen sexuell missbraucht hatten. Drei Monate später hatte der Vatikan für sämtliche Diözesen Verfahren eingerichtet, die Berichte über Vorwürfe von Missbrauch regeln sollten. Des Weiteren sollte die Verantwortlichkeit von Bischöfen und Kardinälen erfasst werden und für mehr Transparenz gesorgt werden.

Fünf Jahre später sähen Aktivistinnen für die Opfer des Missbrauchs diese Versprechen nicht erfüllt, so der „Guardian“. Die neuen Regeln hätten nicht viel gebracht, hieß es weiter. Barrett Doyle zitierte am Dienstag in Rom gegenüber der Zeitung zehn Fälle, die beweisen sollen, dass der Papst „beschuldigte Bischöfe und Kleriker gegenüber Opfern bevorzugt“.

Einer dieser Fälle ist jener des Künstlers und ehemaligen Jesuiten Marko Rupnik, der 2020 nach sexuellen und psychischen Attacken auf Nonnen exkommuniziert wurde. 2023 sei Rupnik aber „in eine Diözese in seiner Heimat Slowenien aufgenommen“ worden, so die Anschuldigung.

„Durchgängiges Muster“

„Es wäre das eine, wenn wir über ein alles in allem gutes Ergebnis mit gelegentlichen Ungereimtheiten sprechen würden“, kritisierte Barrett Doyle, „doch das tun wir nicht, wir sprechen über ein durchgängiges Muster des Papstes, der des Missbrauch Beschuldigte unterstützt.“ Die vom Papst gesetzten Maßnahmen hätten wenig Auswirkungen.

Ähnlich äußerte sich die bekannte Theologin Doris Reisinger gegenüber dem „Guardian“. Reisinger (ehemals Wagner) bringt als Betroffene sexuellen und geistlichen Missbrauchs seit 2014 diese Themen auch als Buchautorin in die Öffentlichkeit. Besondere Aufmerksamkeit erlangte ein Gespräch mit dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn, das im Frühjahr 2019 im Bayerischen Rundfunk und im ORF ausgestrahlt und dann als Buch veröffentlicht wurde.

Vorwurf: Zu Abtreibung gezwungen

Sie untersuchte in einem Forschungsprojekt Fälle von Übergriffen katholischer Priester weltweit, die ihre minderjährigen Opfer geschwängert oder zur Abtreibung genötigt haben sollen. Vom Papst sei diesbezüglich „kein Engagement“ gekommen, so Reisinger. „Während der Papst öffentlich Abtreibungen verurteilt und sie mit dem Anheuern eines Auftragsmörders vergleicht, ist er blind gegenüber Priestern, die Ordensfrauen zu Abtreibungen gezwungen haben“, sagte die Theologin.

Obwohl einige betroffene Nonnen seit 2019 mit der an ihnen verübten sexuellen Gewalt an die Öffentlichkeit gegangen seien, hätten die meisten zu viel Angst gehabt, um darüber zu sprechen. Es gebe wenig Hilfe für missbrauchte Ordensfrauen, viele seien aus ihren Orden geworfen und ihres Zuhauses beraubt worden – das Kirchenrecht gestehe ihnen „überhaupt keinen Status“ zu, so Reisinger.

„Papst hat nichts unternommen“

„Der Papst hat zugegeben, dass es Missbrauch an Ordensfrauen gibt, aber es hat nichts dagegen unternommen. Und wir haben noch keinen Papst oder Bischof über von Priestern erzwungene Abtreibungen sprechen hören. Sie behandeln Abtreibungen immer als ein Frauenthema, haben aber nie etwas über Priester gesagt, die Abtreibungen erzwungen haben, obwohl sie wissen, dass das passiert“, so Reisinger.

Im Rahmen ihrer Forschungen sei die auf Fälle gestoßen, in denen Priester für eine Abtreibung bezahlt hätten, inklusive eines Falls, in dem das Geld dafür aus der Kollekte genommen worden sei. Der „Guardian“ schreibt, der Vatikan sei um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten worden.