Untersuchung

Schweizer Abtei lässt Missbrauch unabhängig aufarbeiten

Die Schweizer Abtei Saint-Maurice hat den Generalstaatsanwalt des Kantons Neuenburg, Pierre Aubert, damit beauftragt, eine unabhängige Untersuchungsgruppe zur Untersuchung von sexuellem Missbrauch einzusetzen.

Diese soll die mutmaßlichen Fälle von sexuellem Missbrauch in dem Kloster der Augustiner-Chorherren in den vergangenen Jahrzehnten aufarbeiten. Die Untersuchung werde nach rechtlichen und historischen Kriterien geschehen, teilte die Abtei laut Meldung des Portals „kath.ch“ am Montag mit.

Die Arbeitsgruppe, in der Aubert den Angaben zufolge unter anderem durch Historiker der Universität Fribourg unterstützt wird, werde „uneingeschränkten Zugang zu den Archiven der Institution erhalten und ebenso zu Zeugenaussagen sowohl der Chorherren als auch der Opfer, die sich bei dieser Gelegenheit zu Wort melden möchten“, versicherte die Abtei. Gleichzeitig betonten die Verantwortlichen, dass diese Aufarbeitung keine Untersuchung durch die Justiz ersetze. Generalstaatsanwalt Aubert handle in der Arbeitsgruppe als Experte, nicht als Richter.

Aktuelle Straftaten kommen zur Anzeige

Die Abtei Saint-Maurice hofft, dass mit dieser Aufarbeitung Vorwürfe gegen sie aufgeklärt werden können. Ziel des Vorgehens sei es, jeden einzelnen Fall zu klären, die Wahrheit herauszufinden und eine „angemessene Anerkennung der Opfer“ zu erreichen, heißt es aus dem Kloster, das aktuell durch einen vom Papst eingesetzten Apostolischen Administrator geleitet wird.

Sofern bei der Aufarbeitung noch nicht verjährte und noch nicht abgeurteilte Straftaten entdeckt werden, würden diese bei der Justiz angezeigt werden, versicherte die Abtei. Sie informierte zudem, dass laut einer kürzlich erschienenen offiziellen Mitteilung der Walliser Staatsanwaltschaft derzeit kein Rechtsverfahren gegen einen mutmaßlichen Täter laufe. Die Polizei setze ihre Ermittlungen weiter fort.

Schwere Vorwürfe

Der Ruf der im 6. Jahrhundert gegründeten Abtei Saint-Maurice wurde in den vergangenen Monaten durch Vorwürfe sexueller Verfehlungen schwer erschüttert. Im November berichtete das Westschweizer Fernsehens RTS über Missbrauchsvorwürfe gegen mehrere Augustiner-Chorherren von Saint-Maurice, von denen ein Teil bereits verstorben ist.

Die mutmaßlichen Taten liegen bis zu sechs Jahrzehnte zurück. Die meisten Fälle sollen sich laut RTS zwischen 1995 und 2005 ereignet haben und wurden offenbar auch behördlich untersucht. Sie führten zu Untersuchungshaft und Bewährungsstrafen, manche Verfahren wurden auch eingestellt.

Ältestes Kloster des Abendlandes

Schon im September hatte der Abt Saint-Maurice, Jean Cesar Scarcella (72), nach einem Vorwurf sexuellen Missbrauchs sein Amt bis auf Weiteres niedergelegt, um die Ergebnisse einer kirchlichen Untersuchung abzuwarten. Auch der ihm zunächst nachgefolgte klosterinterne Interimsleiter trat zurück, nachdem er der sexuellen Nötigung eines Novizen vor 20 Jahren beschuldigt wurde.

Ende November ernannte Papst Franziskus den ehemaligen Oberen der Kongregation des Großen Sankt Bernhard, Jean-Michel Girard (75), zum Apostolischen Administrator für Saint-Maurice. Die Abtei gilt als ältestes Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbrechung besteht. Sie untersteht unmittelbar dem Papst.