Justiz

Gefängnisseelsorge: Strafe darf nicht im Fokus stehen

Die katholische Gefangenenseelsorge zeigt sich skeptisch hinsichtlich des Vorstoßes von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach einer möglichen Herabsetzung der Strafmündigkeit von Kindern und Jugendlichen.

Im Umgang mit straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen müsse „der Fokus klar auf sozialpädagogische und psychologische Betreuung, nicht auf Strafe“ gelegt werden, so der leitende katholische Anstaltenseelsorger Jonathan Werner und die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft katholischer Gefängnisseelsorgerinnen und -seelsorger, Alexandra Keisler-Dite, am Freitag in einer Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress.

„Inhaltlich muss es, in adäquaten Betreuungssettings, um Teilhabe, Ermächtigung, Anerkennung und nicht zuletzt um emphatische Zuwendung gehen“, so die katholischen Seelsorgenden. Das seien die entscheidenden Punkte, die es ermöglichten, jene defizitären und problematischen Entwicklungen, die zur Straffälligkeit geführt haben, aufzuarbeiten und zu beheben, zeigten sie sich überzeugt.

Selbstverantwortung fördern

„Das Wesen der Gefängnisseelsorge ist Begleitung von Menschen, die straffällig geworden sind, gleich welchen Alters", hielten Keisler-Dite und Werner fest. Diese Begleitung habe das Ziel, Menschen bei ihrer Suche nach ganzheitlicher Befreiung zu unterstützen."Ganzheitlich“ meine hierbei, dass es nicht nur darum gehen könne, auf ein Leben jenseits der Gefängnismauern vorzubereiten, sondern auch wesentlich darum, dabei zu helfen, innere Barrieren, Zwänge, Ängste und Abhängigkeiten abzubauen und so ein Leben in Freiheit und Selbstverantwortung zu ermöglichen.

Das sei hingegen nur möglich, „wenn persönliche und gesellschaftliche Grenzen erfahren, erlernt, gewahrt und anerkannt werden“, so die Gefangenenseelsorger. „Gerade Kinder und Jugendliche brauchen bei diesem notwendigen Lernprozess nicht nur notwendige Korrekturen, sondern vor allem größtmögliche Unterstützung und Orientierung.“

Den katholischen Seelsorgerinnen und Seelsorgern sei es ein Anliegen, dass vor allem Kinder und Jugendliche spürten, dass auch das notwendige Setzen von Grenzen eine Zuwendung, ein Betreuungsangebot ist. „Wir glauben, dass in der Zuwendung und im stabilen Beziehungsangebot wichtige Schlüssel zu einer intrinsischen Motivation zur Veränderung liegen.“ Maßnahmen müssten „daher stets aufbauen, nicht niederwerfen“ und sollten zur Veränderung „einladen“.

Maßnahmenpaket durch Regierung

Hintergrund der Debatte um die Herabsetzung der Strafmündigkeit ist der aktuelle Fall von mutmaßlichen Serienvergewaltigungen eines erst zwölfjährigen Mädchens in Wien durch 17 Jugendliche, von denen einige sich noch unter dem Strafmündigkeitsalter von 14 Jahren befinden. Kanzler Nehammer nannte es „unerträglich“, dass der Rechtsstaat in diesem Fall über keinerlei Handhabe verfüge.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kündigten am Donnerstagabend an, dass Ende April ein erster Zwischenbericht einer Arbeitsgruppe mit konkreten Vorschlägen für ein Maßnahmenpaket vorliegen soll.