Theologe Hoff: „KI kümmert sich nicht um Wahrheit“

Der katholische Theologe Johannes Hoff ist überzeugt, dass der Mensch Künstlicher Intelligenz (KI) in vielen Bereichen auch in Zukunft überlegen sein wird. Wenn es darum gehe, die reine Problemlösungskompetenz zu vergleichen „und zu funktionieren“, gewinne freilich der Computer.

„Doch Menschen funktionieren nicht. Menschen kratzen sich am Kopf, sie träumen von einer Zukunft, in der noch niemand war“, so der an der Universität Innsbruck lehrende Dogmatiker in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Furche“. Menschen hätten auch ein „schlechtes Gewissen“, wenn sie eine Frage „schlampig beantwortet haben“, so Hoff, „weil sie Verantwortung für das übernehmen, was sie tun und sich um die Wahrheit sorgen“.

Dem Computer sei das hingegen vollkommen gleichgültig. „Die Sorge um die Wahrheit unterscheidet den Menschen von der Maschine“, so der Theologe. KI gebe hingegen immer eine Antwort, „selbst wenn sie Unsinn ist“. Diese Sorge könne die Maschine dem Menschen nicht abnehmen.

Viel Wissen, keine Fragen

So synthetisierten und verknüpften Computer zwar unheimlich viel Wissen, sie stellten aber keine Fragen. „Das fragende Suchen zeichnet den Menschen aus, weil er einen Sinn hat für die Einheit des Wahren, Guten und Schönen“. Künstliche Intelligenz könne hierbei nur unterstützen, indem sie Daten liefere.

Der „Dataismus“, der davon ausgehe, dass der Mensch lediglich ein informationsverarbeitendes System ist, indem sich Gehirn und Geist sich zueinander wie Hardware und Software eines Computers verhalten, verkenne, dass Lebendiges mehr sei, als die Summe seiner Teile, so Hoff.

„Dataismus“-Bewegung

Dabei sei die „Dataismus“-Bewegung keineswegs eine Erfindung des Computerzeitalters, sondern habe ihre Ursprünge bereits um 1600, mit Galileo Galilei und später Newton. Spätestens seit Gutenberg, habe es die Überzeugung gegeben, die Welt bestehe aus lauter „kleinen Druckbuchstaben“, die lediglich zusammengesetzt werden müssten. Weil die Moderne mechanistisch denke, könne sie das „Leben nicht richtig erfassen“, erklärte der Theologe.

Heute gehe man in der IT-Branche davon aus, dass Technik nicht nur einen funktionalen Zweck habe, sondern auch ein Eigenleben. Sie bringe die Menschen dazu, „Dinge zu tun, die wir vorher gar nicht im Blick hatten oder tun wollten“, so Hoff, der das Smartphone als Beispiel nannte. Dieses sei bei seiner Markteinführung den damals gängigen Mobiltelefonen in vielen Bereichen unterlegen gewesen, „es wird kaputt, wenn es herunterfällt und die Batterie ist immer leer“.

Trotzdem habe es sich binnen kürzester Zeit durchgesetzt, „denn es hat bei uns Bedürfnisse geweckt, die wir vorher gar nicht hatten“. Hier gelte es, ein neues Verständnis von Freiheit zu entwickeln und dabei sensibel dafür zu werden, „dass nicht nur Menschen Macht über Dinge, sondern auch Dinge Macht über Menschen haben“.

„Was kann ich über Gott wissen?“

Nicht umsonst würde heute die mittelalterliche Theologie wieder in den Vordergrund rücken, die nicht auf den Menschen als autonomes Subjekt fokussiere, sondern auf das in eine kulturell geprägte Lebensform eingebettete Lebewesen. Auch die christliche Mystik, mit ihrer Frage, „wie kann ich eins sein mit mir und mit Gott?“, erlebe neue Relevanz. Dadurch stelle sich die Gottesfrage neu, sie laute nicht mehr „was kann ich über Gott wissen?“, sondern es gelte zu fragen „wie gehe ich mit den Grenzen meines Erkennens um?“

Es sei heute die „Illusion von Autonomie“, die den Menschen erst recht in Abhängigkeiten hineintreibe. „Wir sind abhängig von Technologie, wir identifizieren uns mit ihr und werden immer mehr selbst wie die Maschinen, die wir bauen“, so Hoff. „Wenn mir ein Bildungsminister gegenübersäße, würde ich ihm oder ihr sagen: Verbieten Sie Handys in Schulen, benutzen Sie Tablets dort so selten wie möglich und machen Sie weniger MINT“ (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik, Anm.), so der Philosoph.

„Wieder lernen, selbst zu denken“

„Die Menschen müssten heute viel mehr wieder lernen, selbst zu denken“, zeigte sich der Theologe überzeugt. Es gehe darum, die Muße und Freude daran wiederzuentdecken, selbst zu denken. „Bildung heißt, ein Bild Gottes zu werden“, so Hoff mit Verweis auf den mystischen Philosophen Meister Eckart (1260–1328). „In den heutigen Erziehungswissenschaften geht es nur noch um Kompetenzen; darum, fit für den Arbeitsmarkt zu werden und irgendwelche funktionalen Aufgaben bewältigen zu können.“

In der heutigen „postdigitalen Zeit“ gelte es nicht mehr danach zu fragen, was noch alles digitalisiert werden müsse, sondern zu fragen, was digitale Daten sammelnde Intelligenz von der analogen Intelligenz, dem menschlichen Potenzial unterscheide. „Da müssen wir genau das stark machen, was stromlinienförmige Bildungspolitiker heute als zweitrangig empfinden“, so Hoff abschließend.