Europa

Evangelischer Bischof kritisiert „brutale Abschottungspolitik“

Der in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) mit Flüchtlingsfragen beauftragte Bischof Christian Stäblein kritisiert eine „brutale Abschottungspolitik“ an der EU-Außengrenze. Berichte über gewaltsame Zurückweisungen an den Grenzen, sogenannte Pushbacks, nannte er „erschütternd“.

Nach einer Balkanreise appellierte der Berliner Bischof am Dienstag an Regierungen und politisch Verantwortliche in Europa, für eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen und Migranten zu sorgen.

„Dass Menschen an der EU-Außengrenze von Grenzpolizisten zurückgeprügelt werden, dass Hunde auf sie gehetzt werden, dass ihnen Arme und Beine gebrochen werden, damit sie nicht weitergehen – das ist nicht nur gegen jedes Recht, sondern bitterer Alltag auf der Balkanroute und anderswo“, sagte Stäblein nach einem Besuch in den Flüchtlingslagern Lipa und Usivak in Bosnien und Herzegowina.

„Praxis ist kriminell“

Diese Gewalt an Europas Grenzen dürfe nicht länger von den europäischen Regierungen gebilligt werden. „Eine solche Praxis ist kriminell, gehört geächtet und muss endlich ein Ende haben.“ Von Gewaltszenen und einer prekären humanitären Situation im Flüchtlingslager Lipa hatten zuletzt auch Vertreter des Wiener Pfarrnetzwerks Asyl berichtet.

Fluchtroute durch Bosnien und Kroatien

Vier Aktivisten, darunter ein Ordensmann der Steyler Missionare und ein Vertreter der Erzdiözese Wien, hatten im März bei einem Lokalaugenschein in Bosnien-Herzegowina und Kroatien unter anderem Gespräche mit von Pushbacks Betroffenen und Vertretern der vor Ort tätigen Hilfsorganisationen geführt.

Seit Ungarn und Serbien ihre Grenzen dichtgemacht haben, verläuft eine der wichtigsten Fluchtrouten nach Europa über den Balkan von Bosnien nach Kroatien. Derzeit rüstet die kroatische Grenzpolizei stark auf, wobei das Schicksal von Geflüchteten, die oft gewaltsam nach Bosnien zurückgeschickt werden, oftmals an Einzelpersonen und kirchlichen Initiativen vor Ort abhängt.

Zwischenstation: Flüchtlingslager Lipa

Das 2021 errichtete, vom bosnischen Sicherheitsministerium betriebene Containerdorf Lipa liegt abgeschottet in einem Waldstück in den Bergen, über 20 Kilometer von der Grenze zu Kroatien und auch von der nächsten Stadt, Bihac, entfernt. Die Kapazität beträgt bei voller Auslastung 1.500 Personen. Die Republik Österreich und das Land Oberösterreich haben wesentliche Teile der Errichtung finanziert.

Lipa gilt als Zwischenstation, in der sich Geflüchtete, die von der kroatischen Grenze zurückgewiesen wurden, mehrere Tage bis Wochen aufhalten und dann oft den nächsten Übertritt versuchen. Viele der hier Gestrandeten sind auf Lebensmittel, Winterdecken, Schuhe und andere Hilfsgüter von Privatpersonen und NGOs angewiesen, wobei es laut Einschätzung des „Pfarrnetzwerks Asyl“ keine ausreichend gewährleistete medizinische Versorgung gibt.