Vergabe

Karlspreis an Rabbiner Goldschmidt

Der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER), Pinchas Goldschmidt (60), hat am Donnerstag den Internationalen Karlspreis entgegengenommen und zum entschiedenen Kampf für Demokratie und Menschenrechte sowie gegen Judenhass aufgerufen.

Seine Dankrede am Donnerstag im Krönungssaal des Aachener Rathauses nutzte er für ein flammendes Plädoyer gegen Antisemitismus, der immer stärker die europäischen Werte bedrohe. Der Karlspreis zählt zu den bedeutendsten europäischen Ehrungen.

Pinchas Goldschmidt wurde 1963 in Zürich geboren und steht seit 2011 der Europäischen Rabbinerkonferenz vor, der rund 800 orthodoxe Rabbiner angehören. Ab 1993 war er Oberrabbiner von Moskau. Weil er den russischen Überfall auf die Ukraine nicht unterstützte, geriet er unter Druck. Deshalb verließ er im März 2022 Moskau und reiste nach Israel aus.

Engagement für Dialog

Begründet wurde die Auszeichnung damit, dass sich der Oberrabbiner von Moskau „für den Frieden, die Selbstbestimmung der Völker und die europäischen Werte, für Toleranz, Pluralismus und Verständigung“ einsetze. Zudem engagiere er sich für den interreligiösen Dialog zwischen Juden und Christen sowie zwischen Juden und Muslimen, so das Karlspreisdirektorium. Gemeinsam mit Goldschmidt erhielten auch die jüdischen Gemeinschaften in Europa die Auszeichnung.

In seiner Rede mahnte Goldschmidt, jüdisches Leben sei leider nicht mehr selbstverständlich und oft nur noch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen möglich. Viele Juden hätten Angst, sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen: „Judenhass tobt sich auf den Straßen aus, bei Demonstrationen, auf denen offen zum Mord an Juden aufgerufen wird.“ Besonders sei dies seit dem Hamas-Angriff auf Israel am vergangenen 7. Oktober der Fall.

„Hamas könnte Krieg sofort beenden“

Antisemitismus müsse in all seinen Formen erkannt, benannt und bekämpft werden, forderte Goldschmidt. Dazu gehöre die uralte rassistische rechtsradikale Gestalt, aber der Judenhass komme auch als „Antizionismus“ und „Israelkritik“ vor und sickere in Disziplinen wie Postcolonial Studies ein.

Auch er habe Probleme mit der heutigen israelischen Regierung, fügte er hinzu – und „auch mich lassen die Bilder aus dem Gazastreifen nicht kalt, wie könnten sie“? Aber es sei doch offensichtlich: „Die Hamas hat den Krieg begonnen. Und sie könnte ihn sofort beenden. Indem sie die Geiseln freilässt, die Waffen streckt und ihrem eigenen Volk ein echtes Leben ermöglicht.“

Bischof: Antisemitismus an der Wahlurne entgegentreten

Bei einem Gottesdienst vor der Preisverleihung rief Aachens katholische Bischof Helmut Dieser dazu auf, allen Formen von Judenhass entschieden entgegenzutreten – auch an der Wahlurne: „Als Angehöriger des Volkes, das für die Schoah, den systematischen Massenmord an sechs Millionen jüdischen Menschen in Europa, verantwortlich ist, empöre ich mich zutiefst darüber und rufe alle Landsleute auf, niemals mehr Antisemitismus unwidersprochen zu lassen oder gar die zu wählen, die sich nicht überzeugend davon distanzieren“.

Karl der Große als Patron

Der Karlspreis wird seit 1950 an Persönlichkeiten und Institutionen vergeben, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Namensgeber ist Kaiser Karl der Große (742-814). Er gilt als erster Einiger Europas und wählte Ende des achten Jahrhunderts Aachen zu seiner Lieblingspfalz. Außer der Urkunde erhalten die Preisträger eine Medaille, die das älteste erhaltene Stadtsiegel Aachens aus dem zwölften Jahrhundert mit Karl dem Großen zeigt.

Bisher erhielten die Auszeichnung unter anderen Francois Mitterrand und Helmut Kohl (1988), Angela Merkel (2008) und die Päpste Franziskus (2016) und Johannes Paul II. (2004). Im vergangenen Jahr ging sie an den ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyi und das ukrainische Volk.