Tao – aus den Religionen der Welt 14.11.2020

Ein „Latter-day Saint“ im Hausruckviertel

Der Bauer Johann Huber, der Prophet Joseph Smith und die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage

Vom Fenster aus ist die Zufahrtsstraße gut zu überblicken, falls der (katholische) Pfarrer mit dem Dorf-Gendarmen anrücken sollte: Die ersten Versammlungen der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ in Österreich wurden vor 120 Jahren auf dem Getreideboden eines Bauernhofes im oberösterreichischen Hausruckviertel abgehalten. Ob der Fluchtweg durch die Falltür jemals benutzt werden musste, ist allerdings nicht überliefert – gewalttätige Störversuche hingegen schon.

Die „Mormonen“

Als sich im Jahr 1900 der Großbauer Johann Huber in Rottenbach bei Haag am Hausruck der noch völlig unbekannten Kirche aus den USA anschloss, galt die Religionsfreiheit in Österreich nur für die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften: Allen anderen war nur die „häusliche Religionsausübung“ gestattet. Gesetzlich anerkannt wurde die “Church of Jesus Christ of Latter-day Saints“ (wie sie mit vollem Namen in englischer Originalschreibweise heißt) in Österreich erst im Jahr 1955.

Tao
Samstag, 14.11.2020, 19.05 Uhr, Ö1

Die Gemeinde, die sich um Johann Huber formierte, gibt es bis heute mit dem offiziellen Sitz in Haag. Viele Mitglieder der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ in Österreich sind mit ihm in der einen oder anderen Form verwandt – und der „Michlmayr“-Hof, so der traditionelle Name des Anwesens, ist nach wie vor in Familienbesitz.

Vor genau 200 Jahren hatte ein anderer „Bauernbub“ im US-Bundesstaat New York seine erste Vision: Joseph Smith, damals noch keine 15 Jahre alt, berichtet von einer Begegnung mit Gott-Vater, der auf Jesus gezeigt haben soll – mit dem klaren Auftrag: „Ihn höre“. Erst drei Jahre später soll ihn dann ein Engel namens Moroni zu den berühmten Goldenen Platten geführt haben, auf denen das Buch Mormon als „weiteres Zeugnis“ für Christus aufgezeichnet war.

Der schriftliche Bericht über Joseph Smiths erste Vision stammt erst aus dem Jahr 1838 – aus der Zeit der gewaltsamen Verfolgung, als die Anhängerinnen und Anhänger der von Joseph Smith gegründeten Kirche von ihren Gegnerinnen und Gegnern bereits mit einem Spottnamen versehen worden waren: die „Mormonen“.

Gestaltung: Markus Veinfurter