Dienstag, 2.2.2021, Thomas Hennefeld

Wir und die anderen

So manches politisch heiße Eisen wird nicht nur heute kontrovers diskutiert – sondern hat schon vor Jahren und Jahrzehnten die Gemüter erhitzt.

Kurt Marti wäre dieser Tage 100 geworden. Er war hauptberuflich reformierter Pfarrer und daneben dichtete er. Später machte er das Schreiben zu seiner Hauptbeschäftigung. Als Pfarrer und als Dichter hatte er einen scharfen Blick für Unrecht und für die Schwachen und am Rande der Gesellschaft stehenden Menschen. Die Schweiz hat viele Migrant/innen und Flüchtlinge. Es gab seit Jahrzehnten heftige Diskussionen, wie man mit ihnen umgehen sollte, ähnlich wie bei uns.

Thomas Hennefeld
ist Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich

Wünsche mitteilen

Marti kannte das Schicksal von Flüchtlingen und konnte sich in sie auch gut hineinversetzen. Das merkt man folgendem Zitat an: „Klage eines Flüchtlings im Asylland: Wann endlich darf ich sagen, was ich möchte, anstatt immer nur fragen zu müssen, was ich darf?“ Flüchtlinge müssen aus ihrer Heimat fliehen und hoffen, sich irgendwo an einem anderen Ort niederlassen zu können und merken, dass sie oft wie der letzte Dreck behandelt werden. Mit einem anderen menschenwürdig umzugehen, heißt auch, ihm auf Augenhöhe zu begegnen, ihn oder sie nicht als Almosenempfänger zu behandeln.

Marti bringt das hier auf den Punkt. Der Flüchtling soll froh sein, wenn er fragen darf. Zu einem besseren Leben gehört es aber auch zu sagen, was ich möchte. Wir alle leben auch davon, unseren Willen und unsere Wünsche anderen mitzuteilen. Dieses Recht sollte jeder haben, und niemand soll darauf verzichten, aus Angst, man könnte es ihm übelnehmen.