Tao – aus den Religionen der Welt 6.3.2021

Mein Herz ist mein Instrument

Sufismus, die islamische Mystik. In der Islam-Debatte der vergangenen Jahrzehnte ist eine alte, traditionsreiche Strömung dieser Religion aus dem Blickfeld gerückt: der Sufismus, die islamische Mystik, oft als „die sanfte Seite des Islam“ bezeichnet.

Die islamische Mystik – oder der Sufismus – ist ein spiritueller Weg islamischer Gläubigkeit, der in vielfältigen Formen auftritt. Als „Sufis“ werden Männer und Frauen bezeichnet, die diesem Weg folgen; das Wort leitet sich wahrscheinlich vom arabischen „Suf“ für Wolle ab, aus der das schlichte, grobe Gewand der „Derwische“ hergestellt wurde. Denn „Derwisch“ bezeichnet einen Armen, und dieses Gewand symbolisierte ihre einfache Lebensweise.

ORF-Schwerpunkt: „Im Innersten – Mystik in den Religionen“

Sufi-Konvente – auch „Orden“ genannt – wurden oft schon im 10. Jahrhundert gegründet. Die Mitglieder leben jedoch nicht klösterlich, sondern haben meist Beruf und Familie. Asket/innen und Einsiedler/innen sind die Ausnahme. Der Sufismus entstand zu einer Zeit, als die islamischen Reiche von inneren Krisen und äußeren Invasoren bedrängt waren. Das bewegte viele Menschen zum Rückzug in mystische Zirkel – auch weil die offizielle Lehre zunehmend dogmatisch wurde. Es ist kein Zufall, dass große Denker/innen der mystisch-philosophischen Dichtung provokante Gedanken formulierten, die heute Weltliteratur und immer noch erstaunlich aktuell sind.

Tao
Samstag, 6.3.2021, 19.05 Uhr, Ö1

Die Rituale des Sufismus unterscheiden sich oft vom Formalismus der Orthodoxie; es gibt ekstatische Ausdrucksformen in rhythmischer Rezitation von Gebetsformeln, oder den Drehtanz, begleitet von Musik. Zwar existieren auch strenggläubige Orden; die meisten Sufi-Gruppen pflegen jedoch eine liberale Praxis – in westlichen Ländern manchmal als spirituellen Lifestyle. Sufi-Gruppen sind heute nicht nur im islamischen Kulturraum anzutreffen, sondern auch in Europa und Amerika. Dabei ist die Bandbreite des Sufismus groß und kennt auch eine religionsübergreifende Spiritualität.

TAO geht dem Phänomen des Sufismus in unterschiedlichen kulturellen Kontexten nach und beleuchtet eine sinnliche, sanfte Seite des Islam.

Gestaltung: Lise Abid

Buchhinweise:

  • Dschalaluddin Rumi, „Traumbild des Herzens: Hundert Vierzeiler“, übersetzt von Johann Christoph Bürgel, Verlag Manesse 2005
  • Johann Christoph Bürgel (Hg.), Dschalaluddin Rumi, „Gedichte aus dem Diwan“, Verlag C. H. Beck 2016
  • Denis E. Mete, „Liebe und Furcht am Sufi-Pfad des Einsseins“, Silsile Verlag 2018
  • Denis E. Mete, „Der König der Herzen. Mevlana Celaleddin Rumi“, Silsile Verlag, Herbst 2021
  • Andrew Harvey, „Die Lehren des Rumi. Weisheiten des Herzens“, Verlag dtv 2004
  • Rosina Fawzia Al-Rawi, „Der Hauch der Ewigkeit. Die 99 heilenden Namen der Einen Liebe“, Sheema-Verlag
  • Yunus Valerian Hentschel, „Mystik und Macht im Abbasidenkalifat: Mansur al-Hallaj und der Skandal der Wahrheit“, Lit-Verlag 2020
  • Ibn Arabi, „Der Übersetzer der Sehnsüchte. Gedichte“, übersetzt von Stefan Weidner, Jung und Jung Verlag 2016
  • C. Atabay, K. Scharf et al. (Hg., „Die schönsten Gedichte aus dem klassischen Persien“, Verlag C. H. Beck
  • Annemarie Schimmel, „Gärten der Erkenntnis. Das Buch der vierzig Sufi-Meister“, Eugen Diederichs Verlag 1985