LEBENSKUNST – Begegnungen am Feiertag, 25.12.2021

Wem gehört Weihnachten?

Man höre und staune – Bibelessay zu Lukas 2, 15-20 | Von Menschenkindern und Gotteskindern – Das Weihnachtsgeheimnis, Teil 2 | Wem gehört Weihnachten? – Gedanken zu einem weltweiten Fest | Gegen die Geburtsvergessenheit – Die Gynäkologin und Theologin Barbara Maier | Ein Brauch „für die Katz“? – Von Sinn und Unsinn der Weihnachtskrippen

Man höre und staune

Bibelessay zu Lk 2,15-20

Nachdem traditionellerweise am Heiligen Abend und in der Heiligen Nacht die Erzählung von der Geburt Jesu im Stall zu Bethlehem zu hören war, wird am Weihnachtsmorgen in katholischen Kirchen die Geschichte fortgesetzt: Die Hirten finden tatsächlich das in Windeln gewickelte göttliche Kind in einer Krippe und erzählen davon. „Und alle, die es hörten, staunten …“, heißt es weiter.

Buchhinweis

Christian Haidinger, Und Gott lächelt. Glücklich werden durch Dankbarkeit, Tyrolia 2021

Das darf durchaus auch ein ungläubiges Staunen sein, meint der emeritierte Abt des Benediktinerstifts Altenburg, Pater Christian Haidinger. Vom Hören und Staunen und vom Vertrauen in das Lächeln Gottes erzählt der Autor von „Und Gott lächelt. Glücklich werden durch Dankbarkeit“.

Von Menschenkindern und Gotteskindern 2

„Gott ward ein Menschenkind, damit die Menschenkinder Gotteskinder werden könnten. Einer von uns ist er geworden (…) und eins mit uns“, so sagt das die 1891 in Breslau geborene Philosophin Edith Stein in ihrem 1931 gehaltenen Vortrag „Das Weihnachtsgeheimnis. Menschwerdung und Menschheit“.

Edith Stein, die in einer orthodoxen jüdischen Familie aufgewachsen ist, konvertierte 1922 zur katholischen Kirche und trat 1933 in die intensiv kontemplativ lebende Ordensgemeinschaft der Karmelitinnen ein. 1942 wurde sie als Ordensfrau jüdischer Herkunft in Auschwitz ermordet. „Wenn wir einen Menschen in Gott geborgen haben, dann sind wir ja mit ihm in Gott eins“, so Edith Stein in ihrem Vortrag, den LEBENSKUNST in sechs Abschnitten wiedergibt. Es spricht die Schauspielerin Andrea Eckert.

Weihnachten – Gedanken zu einem weltweiten Fest

Fast alle begehen es auf irgendeine Weise – aber wem gehört Weihnachten? Die christlichen Kirchen feiern zu Weihnachten die „Menschwerdung Gottes“, die Geburt eines göttlichen Kindes im heutigen „Heiligen Land“. Demnach kommt der transzendente Gott in einem in einer einfachen Bleibe geborenen Kind zur Welt. Er haust, wohnt, zeltet (so die Übersetzung des altgriechischen Verbs) im konkreten Menschen Jesus von Nazareth; bei ihm ist Gottes Wort zu hören und sein Wirken zu erfahren, lautet eine theologische Erklärung.

Doch ob man nun das Fest mit Transzendenzbezug oder ohne feiert, ob im christlich-spirituellen Sinn oder nicht, bleibt Weihnachten das Fest der Menschwerdung: Und sei es der Menschwerdung des Menschen nach einem humanen Ideal, streicht die katholische Theologin Ingrid Fischer hervor.

Gegen die Geburtsvergessenheit

„Dass man in der Welt Vertrauen haben und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper und schöner ausgedrückt als in den Worten, mit denen die Weihnachtsoratorien ‚die frohe Botschaft‘ verkünden: ‚Uns ist ein Kind geboren‘.“ So hat das die Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) einst formuliert und den Begriff der „Natalität“ eingeführt.

Buchhinweis

Barbara Maier, Warren A. Shible: The Philosophy and Practice of Medicine and Bioethics: A Naturalistic-Humanistic Approach, Springer Verlag 2011

Geburtlichkeit, Natalität, als Grundbedingung der menschlichen Existenz, weil „dem Neuankömmling die Fähigkeit zukommt, selbst einen neuen Anfang zu machen, das heißt: zu handeln“, schreibt sie in ihrer „Vita activa“. Geburt und Geburtlichkeit betreffen also alle Menschen, alle Geborenen, meint auch Primaria Barbara Maier, Theologin und Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in der Klinik Ottakring in Wien. Ebenso wie „Mütterlichkeit“ eine Eigenschaft aller Menschen sein kann und soll. Maria Harmer hat Barbara Maier auf der Geburtenstation besucht.

Von Sinn und Unsinn der Weihnachtskrippen

Dass das göttliche Kind in einem Stall auf die Welt gekommen sei, erschließt sich einzig aus der Erzählung im Lukasevangelium. Dort heißt es, Maria gebar ihren Sohn und „wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“. Doch das Bild hat sich verfestigt, und erweiterte Futterkrippen mit dem Jesuskind darin werden gern unter den Christbaum gestellt. Ein Brauch „für die Katz“?

Buchhinweis

Reinhold Stecher, Herz ist Trumpf und andere heiter-besinnliche Texte, Tyrolia 2021

Der beliebte katholische Bischof der Diözese Innsbruck, Reinhold Stecher, konnte das schon – wie vieles andere auch – hinterfragen. Am 22. Dezember wäre er 100 Jahre alt geworden. Tyrolia hat aus diesem Anlass seine schönsten Texte neu verlegt und als Lesebuch herausgegeben: „Herz ist Trumpf“. Alexander Tschernek liest daraus „Keine Krippe für die Katz“.

Redaktion & Moderation: Doris Appel