Mittwoch, 29.6.2022, Gudrun Sailer

Risotto mit Knoblauch

Stille kehrt ein am Tisch, zu hören sind nur Gabeln, die Risotto durchwühlen auf der Suche nach einer kleinen weißen Knoblauchzehe im weißen Reis

Ich weiß nicht, ob Sie schon gefrühstückt haben oder noch hungrig sind, aber jedenfalls: In Italien reden die Leute zu jeder Uhrzeit mit Vorliebe vom Essen. Sie nehmen das Essen richtig ernst, es steckt ein fast religiöser Eifer drin. Und wie das so ist als eingeheiratete Ausländerin: Ein bisschen macht man sich lustig, ein bisschen passt man sich an.

Gudrun Sailer
stammt aus Niederösterreich und ist Redakteurin bei Radio Vatikan in Rom

Letztens habe ich ein Risotto gekocht, und in der Pfanne mitgebraten werden da zwei ganze Knoblauchzehen, die man am Ende herausnimmt – vorausgesetzt, man findet sie. Ich habe diesmal nur eine gefunden und das beim Servieren offensiv kommuniziert: Vorsicht, Knoblauch-U-Boot. Ich sehe in erschrockene Augen, die sich gleich in die Teller senken. Stille kehrt ein am Tisch, zu hören sind nur Gabeln, die Risotto durchwühlen auf der Suche nach einer kleinen weißen Knoblauchzehe im weißen Reis.

„Himmel, ist doch nur Knoblauch, nicht Zyankali“, denke ich und schlucke den Einwurf gleich hinunter. Niemand gilt gern als Barbarin aus dem Norden, die wieder mal nichts verstanden hat von den Finessen italienischer Küche.

Aber ich kann der Szene einen größeren Blickwinkel abgewinnen: Ich will lieber entspannt und mit Gusto mein Risotto essen statt konzentriert den Knoblauch suchen, und wenn ich dann draufbeiße: na gut. Lieber die Musik hören als den einen falschen Ton. Lieber die schönen ockergelben Fassaden in Rom sehen statt am Boden den Müll, auch wenn er mich fassungslos macht. Worauf lenke ich meine Aufmerksamkeit? Das will ich mich heute fragen.