LEBENSKUNST – Begegnungen am Sonntagmorgen 26.2.2023

Der Seele Ruhe gönnen

Bibelessay zu Genesis 2,7-9; 3,1-7 | Fasten in den Religionen | Ursula Baatz zu einem Trend und seinen Wurzeln | Zum 80. Todestag der Geschwister Scholl

Von der Symbolkraft alter Mythen – Bibelessay zu Genesis 2,7-9; 3,1-7

40 Tage, die Sonntage werden nicht mitgerechnet, 40 Tage sind es von Aschermittwoch bis Ostern. So sieht es die Westkirche vor: ein Zeitraum, der Reue und Besinnung, aber auch Wende und Neubeginn ermöglichen soll. Die Zahl 40 hat in der jüdischen und christlichen Überlieferung eine hohe Symbolkraft. Immer wieder findet sie sich in den Schriften des Alten und des Neuen Testaments – von der 40-tägigen „Sintflut“ über die 40-jährige Wüstenwanderung der Israelit:innen bis zum 40-tägigen Aufenthalt des Jesus von Nazareth in der Wüste, währenddessen er sich durch Gebet und Fasten auf seine Sendung vorbereiten wollte.

Lebenskunst
Sonntag, 26.2.2023, 7.05 Uhr, Ö1

Davon ist am sogenannten ersten Fastensonntag, dem Sonntag nach Aschermittwoch, in katholischen Gottesdiensten zu hören. Auch zu hören ist jener Bibelabschnitt aus dem alttestamentlichen Buch Genesis, in dem es heißt, dass Gott den Menschen „aus Staub vom Erdboden“ schuf und ihm den Lebensatem „in seine Nase blies“. Der Mensch freilich ließ sich wenig später von der Schlange verführen … Was diese alte Erzählung zu bedeuten haben kann, dazu Gedanken von der katholischen Theologin Mirja Kutzer, die an der Universität Kassel lehrt.

Körper und Seele Ruhe gönnen – Fasten in den Religionen

Mit dem Aschermittwoch am 22. Februar 2023 beginnt in der Westkirche die vorösterliche Fastenzeit. Am 22. März beginnt heuer der muslimische Fastenmonat Ramadan, und auch vor dem jüdischen Pessachfest, Anfang April, wird gefastet. Fastengebote gibt es in nahezu allen religiösen Traditionen, erklärt die Religionswissenschaftlerin Birgit Heller. Obwohl unterschiedlich motiviert, gelte Fasten als „universelle Praxis“, die eine „Auszeit für Körper und Seele“ mit sich bringen kann. Aussagen dazu sind auch von Gästen zu hören, die im niederösterreichischen Stift Geras an einer Fastenkur teilnehmen, begleitet von einem Fastenleiter. Lena Göbl über Fasten in einer eiligen Überfluss-Gesellschaft, seinen Ursprung in den Religionen und die innere Ruhe, zu der es führen kann.

Achtsamkeit ist mehr als eine Technik – Ursula Baatz zu einem Trend und seinen Wurzeln

Achtsamkeit, jenes ursprünglich buddhistische Konzept, ist in vieler Munde. Da und dort wird freilich auch unter diesem Stichwort Missbrauch getrieben: Etwa, wenn große Unternehmen für ihre hart und viel arbeitenden Angestellten Achtsamkeitskurse anbieten, anstatt ihnen einfach mit weniger Arbeitspensum zu einer guten Work-Life-Balance zu verhelfen.

Buchhinweis:
Ursula Baatz, „Achtsamkeit. Der Boom. Hintergründe, Perspektiven, Praktiken“, V&R

Dieses Phänomen beschreibt die Philosophin, Achtsamkeits- und Zen-Lehrerin Ursula Baatz in ihrem jüngsten Buch. In Asien waren und sind Achtsamkeitsmeditationen eine meist monastische Praxis; eine lebenslange Aufgabe, die Rückzug aus dem Alltäglichen und Verzicht verlangt. Tatsächlich dürfe Achtsamkeit nicht nur als da oder dort eingesetzte Technik verstanden werden, so Ursula Baatz, vielmehr beruhe sie auf der inneren Motivation, ein gutes und erfülltes Leben zu leben. Lisa Ganglbaur hat nachgefragt.

Erinnerung an zwei Beherzte – Zum 80. Todestag der Geschwister Scholl

Am 22. Februar hat sich der Tod der Geschwister Hans und Sophie Scholl zum 80. Mal gejährt. Ermordet – in der NS-Diktion „hingerichtet“ – weil die beiden jungen Deutschen gegen Krieg und Nationalsozialismus eingetreten sind, im Rahmen ihrer Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Hans Scholl war zum Zeitpunkt seines gewaltsamen Todes keine 25 Jahre alt, Sophie keine 22.

Sie, Sophie, ist zu so etwas wie einer Symbolgestalt für jugendliches politisches Engagement unter widrigsten Umständen geworden, nicht zuletzt auf Basis ihrer zahlreichen Briefe und Tagebucheintragungen. Die junge Frau, die auf Fotos nicht mit damals üblichen Zöpfen, sondern mit einem flotten Kurzhaarschnitt und mitunter rauchend in Erscheinung tritt, war im besten Sinn des Wortes fromm. So umreißt es der evangelische Theologe, Kirchenhistoriker und Pfarrer Leonhard Jungwirth. Denn fromm bedeutet, von dem althochdeutschen Wort „vrum“ herkommend, so viel wie beherzt, tapfer. Brigitte Krautgartner hat mit ihm über die evangelische Christin Sophie Scholl und ihren Bruder gesprochen und geht ihren religiösen und gesellschaftspolitischen Spuren nach.

Redaktion & Moderation: Doris Appel