LEBENSKUNST – Begegnungen am Sonntagmorgen 24.9.2023

Adolf Holl, Pablo Neruda und „Superjuden“

Bibelessay zu Matthäus 20,1-16 | Adolf Holl und Christoph Kardinal Schönborn | Pablo Neruda und seine „Ode an die Zwiebel“ | Ausstellung „Superjuden“

Wenn sich Gerechtigkeit mit Großzügigkeit verschwistert, dann wird das Leben besser – Bibelessay zu Matthäus 20,1-16

Es gehört zu den Zitaten, die sich großer Verbreitung erfreuen – und stammt wie viele andere nach wie vor gebräuchliche Redewendungen aus der Bibel: „Die Letzten werden die Ersten sein.“ Am Sonntag, 24. September, ist diese Pointe eines Gleichnisses in katholischen Gottesdiensten zu hören, in der Version des Autors des Matthäusevangeliums. Das Gleichnis erzählt von Arbeitern im Weinberg, wobei die zuletzt angeheuerten genauso viel bekommen wie die, die von Anfang an mitgearbeitet haben.

Lebenskunst
Sonntag, 24.9.2023, 7.05 Uhr, Ö1

Texte wie dieser kurbeln zunächst die Fantasie ihrer Leserinnen und Leser an. Davon zeigt sich Mirja Kutzer überzeugt, die Katholische Theologie an der Universität Kassel lehrt: „Diese Texte provozieren ein Kino im Kopf, in dem die Welt ein wenig anders, womöglich besser erscheint, als sie für gewöhnlich ist. Und vermittelt darüber, stellen sie die Frage, in welcher Welt wir leben wollen. Vielleicht ändern diese Texte dann den Blick auf das, was wir für unverrückbar halten.“

Sympathie für einen „Kirchenrebellen“ – Adolf Holl und Christoph Kardinal Schönborn

Heuer sind es 50 Jahre, dass der Wiener Theologe, Religionssoziologe, Publizist und Schriftsteller Adolf Holl (1930-2020) seine katholische Lehrbefugnis verloren hat, 1976 wurde er vom Priesteramt suspendiert. Der Konflikt nahm im Wesentlichen mit Holls Buch „Jesus in schlechter Gesellschaft“ (1971) seinen Anfang. Holl hinterfragte darin u.a., ob Jesus eine von Klerikern geleitete, institutionalisierte Kirche gewollt habe.

Buchhinweis
Adolf Holl: „Der letzte Christ“; Residenz-Verlag

Derzeit wird das Gesamtwerk von Adolf Holl im Residenz-Verlag neu aufgelegt, zuletzt: „Der letzte Christ“, die „außergewöhnliche Biografie des Franz von Assisi“. Darin zeichnet Holl ein plastisches Sittengemälde des 13. Jahrhunderts und beschreibt das Leben und Wirken des Franz von Assisi, „eines engagierten Weltfremden und fastenden Lebenskünstlers“. Das Buch wurde im Erzbischöflichen Palais Wien präsentiert, Adolf Holl von Christoph Kardinal Schönborn gewürdigt. Brigitte Krautgartner war dabei.

Ein untrügliches Gefühl für die „Heiligkeit des Lebens“ – Pablo Neruda und seine „Ode an die Zwiebel“

Er war bestimmt kein Heiliger, war – unter anderem – linientreuer Kommunist und hat Stalin verherrlicht, was er freilich später bereut hat: Pablo Neruda (1904 – 1973), chilenischer Diplomat, Dichter und Schriftsteller. Unbestritten ist, dass er sich gegen den Faschismus in seinem Heimatland und in Spanien eingesetzt hat.

Bücherhinweise
Pablo Neruda: „Gedichte“; Suhrkamp Verlag
August Schmölzer: „Am Ende wird alles sichtbar“; Edition Keiper

1971 erhielt er den Nobelpreis für Literatur, 1973 starb er kurz nach dem Militärputsch in Chile und der Machtergreifung Pinochets. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der damals 69-Jährige vergiftet wurde. Kein Heiliger, der vor 50 Jahren, am 23. September 1973, gestorbene Pablo Neruda – und doch hatte er „ein untrügliches Gefühl für die Heiligkeit des Lebens“, wie die Religionsphilosophin Ursula Baatz es ausgedrückt hat.

Davon zeugt auch seine „Ode an die Zwiebel“, vorgetragen von August Schmölzer.

Jüdische Identität im Fußballstadion – Besuch der Ausstellung „Superjuden“

Das Stadion – eine Arena des sportlichen Wettkampfs, ein Vergnügungsraum, ein Raum, in dem Trikotfarbe, Logo und Vereinsname von vielen tief im Herzen getragen werden. Fußball, das ist für manche Menschen so etwas wie eine Religion, für viele eine Lebenseinstellung – Gruppengefühl und Abgrenzungen inklusive. Die Fans von Ajax Amsterdam etwa bezeichnen sich selbst und den Klub gerne als „Superjuden“. Wie jüdische Identität in europäischen Fußballstadien besungen, vermarket und sichtbar wird, behandelt eine aktuelle Ausstellung im Jüdischen Museum Wien, Lisa Ganglbaur hat sie für LEBENSKUNST besucht.

Ausstellung „Superjuden“ First Vienna FC 1894 und FK Austria Wien
David Bohmann
Der älteste Fußballverein Österreichs neben dem – laut Museumsdirektorin Barbara Staudinger – „jüdischsten Fußballverein Österreichs“: in Blau-Gelb die First Vienna FC 1984 neben den „Veilchen“, der Austria Wien.

Einer, der die „Seele der Violetten“ vom Wiener Verteilerkreis, dem Heimstadion der Austria Wien – immer wieder als „Judenklub“ tituliert – ganz genau kennt, ist der Fotograf Daniel Shaked. Lisa Ganglbaur hat mit ihm sowie mit der Museumsdirektorin und Kuratorin Barbara Staudinger über jüdische Identitäten am Fußballplatz gesprochen – und ist dabei unter anderem der Frage nachgegangen, was einen Verein zu einem jüdischen macht.

Redaktion & Moderation: Doris Appel