Zwischenruf 4.2.2024, Magdalena Holztrattner

Eine Kostbarkeit in allen Religionen

In frommen Reden gehört er zum Inventar der Standardfloskeln – und doch ist er im Alltag fast erstaunlich präsent: der Segen.

Einander Gutes wünschen, einander Positives wollen ist in wohl allen Gruppen, Gemeinschaften und Kulturen üblich. Davon leben Gemeinschaften – dass sich die Mitglieder wohl-gesonnen sind und sie dieses Wohl-wollen auch in Worte fassen.

Magdalena Holztrattner
ist katholische Theologin und Geschäftsführerin des Frauen- und Sozialreferates von Kolping Österreich

Gottes Nähe in allen Momenten

In ein paar großen, mir bekannten Sprachgruppen ist das in die Grußformel gefasst: „Guten Tag“ sagen Hochdeutschsprechende. Sie wünschen sich gegenseitig einen Tag mit viel Gutem. Mit „Salaam aleikum“ grüßen sich arabischsprechende Menschen: „Der Friede sei mit Dir“. Sie wünschen sich Frieden. Gleich sagen es hebräisch Sprechende: „Shalom“, „Friede“ bezeichnet den Frieden. Den Frieden der Menschen mit sich selbst, mit den anderen und mit Gott. „Griaß di God“ sagen Dialektsprechende in Österreich und Bayern. Die ursprüngliche Bedeutung wird angegeben mit „Möge Dir Gott freundlich begegnen“ oder „Gott segne Dich“. So ein Gruß unterbricht, wenn er bewusst ausgesprochen wird, die anonyme Gleichgültigkeit, die besonders in Städten manchmal schmerzhaft spürbar ist.

Das deutsche Wort „segnen“ stammt vom lateinischen „signare“ und heißt „bezeichnen“. Im christlich geprägten Kontext heißt „signare, segnen“ jemanden mit dem Kreuz zu bezeichnen, über jemandem ein Kreuz zu zeichnen. Das Kreuz ist im Christentum das zentrale Symbol für den Tod des Jesus von Nazareth. Vor allem ist das Kreuz aber ein Zeichen dafür, dass Gott diesen Jesus von den Toten auferweckt hat, dass der Tod also nicht das letzte Wort hat, sondern das Leben. Dass dieser Gott Jesu in allen Lebenslagen – auch in den schlimmen und schrecklichen – mit den Menschen ist und gemeinsam an der Befreiung aus misslichen Lagen arbeiten will. Jemanden segnen kann mit diesem Hintergrund bedeuten: „Ich wünsche Dir Gottes Nähe in guten wie in schweren Momenten – auf dass es Dir gut gehe!“

Zwischenruf
Sonntag, 4.2.2024, 6.55 Uhr, Ö1

Geheimer Taschensegen

Zu segnen hat sich in allen großen Religionen in Ritualen verankert. Es sind Leiter:innen von Gottesdiensten, die Gottes schützenden Segen über und mit der betenden Gemeinde erbitten. Es sind aber auch Eltern, die Gottes lebendigen Segen über ihre Kinder erbitten. Es sind Liebende, die einander in besonderen Momenten die liebende Nähe Gottes wünschen. Freundinnen segnen einander beim Abschied an der Wohnungstür.

Es sind viele Menschen, die einander segnen. So kann ein Netz des Segens wachsen, das Verbindung schafft oder stärkt, das das Gute vermehrt und Wohl-wollen in der Gesellschaft verbreitet. Wichtig ist es auch, Menschen zu segnen, die man nicht leiden kann. Menschen, die ihren inneren Unfrieden laut nach außen bringen. Dafür habe ich mir vom Gründer des Europaklosters Gut Aich, P. Johannes Pausch, den „geheimen Taschensegen“ abgeschaut: Der funktioniert so, dass ich Menschen, die gerade sehr mühsam sind, mit denen ich vielleicht sogar gerade nicht reden mag, die in U-Bahn oder im Straßenverkehr ihren Grant versprühen, mit der Hand in der Hosentasche ein segnendes Kreuz mache.

Und siehe – ich weiß nicht, ob mein Taschensegen beim anderen etwas bewirkt, aber ich werde entspannter, manchmal zaubert sich sogar ein Lächeln in mein Gesicht.