Zwischenruf 11.2.2024, Emma Lipka

Von der Freiheit, Fehler zu machen

Jeden Morgen beim Aufwachen freue ich mich auf den Tag. Warum? Weil ich genau weiß, dass es zu einem großen Teil mir obliegt, ihn zu gestalten.

Ich entscheide mich an Wochentagen bewusst dafür, auf die Uni zu gehen und den Vorlesungen der transkulturellen Kommunikation zu lauschen – ich habe mich auch selbst dazu entschlossen, mich im Wintersemester zunächst „nur“ für genau dieses Studium – und nun, im Sommersemester, auch noch für ein zweites, nämlich das der klassischen Philologie – anzumelden. Und auch wenn ich gerade keine Vorlesung habe, kann ich frei über meine Zeit und darüber, was ich mit ihr anfange, verfügen. So ist es also meine persönliche Entscheidung, dass ich heute hier über das Thema Freiheit spreche.

Emma Lipka
ist Studentin

Freie Entscheidungen

Eigentlich kann ich wirklich dankbar dafür sein, dass ich zu jenen Menschen gehöre, die frei über ihr Leben entscheiden können. Andere auf der Welt haben in dieser Hinsicht gewiss weniger Glück als ich. Das tut mir persönlich sehr leid für diese Menschen. Meiner Meinung nach sollte jeder seine eigenen Entscheidungen treffen – und so auch seine eigenen Fehler machen dürfen. Denn nur so kann man erkennen, was eine gute Idee ist und was nicht.

Hier ein Beispiel aus meinem eigenen Leben: Als kleines Mädchen bin ich oft zu einer Nachbarin gegangen, die für mich wie eine dritte Oma war. Wir haben alles Mögliche gemeinsam unternommen. Doch als ich älter wurde, wurden diese Treffen immer seltener – bis ich dann, völlig in meinem Teenagerleben gefangen, ein halbes Jahr lang vergessen habe, mich bei ihr zu melden.

Zwischenruf
Sonntag, 11.2.2024, 6.55 Uhr, Ö1

Die Freiheit, zu vergeben

Es war also kein Wunder, dass sie zunächst einmal ziemlich enttäuscht von mir war – hatte sie doch gedacht, ich wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben. Das stimmte natürlich nicht und deshalb hat mir mein Fehler auch sehr, sehr leid getan. Bis heute bin ich ihr sehr dankbar, dass sie mir verziehen hat. Aber gleichzeitig hat mir diese Erfahrung auch gezeigt, wie stark jeder einzelne Mensch ist, der denjenigen, die ihn oder sie verletzt haben, verzeiht. Vergebung ist also wirklich etwas sehr Besonderes.

Ein Beispiel, in dem diese sehr gut funktioniert, ist im neuen Testament zu finden: Jesus erzählt nämlich eine Geschichte von einem Sohn, der zunächst seinen Teil des Erbes ausbezahlt haben will und das Vermögen dann verschwendet. Als er nichts mehr hat, lernt er jedoch schnell, welchen Fehler er gemacht hat; er kehrt reumütig nach Hause zurück, und seine Familie nimmt ihn wieder auf. Dieses Beispiel aus der Bibel berührt mich und bestätigt mir noch einmal, dass es nicht unmöglich ist, Fehler zu verzeihen; dass dies freiwillig und mit ganzem Herzen geschehen kann. Mit der Freiheit, Fehler zu machen, geht eben auch noch Hand in Hand die Freiheit, sie zu vergeben. Ich denke, dass diese beiden Facetten – wie viele andere auch – unter dem Schirm des großen Begriffs der Freiheit einen sehr wichtigen Platz einnehmen. Es ist ein Schirm, unter dem meiner Meinung nach mit all seinen Facetten alle Menschen, und nicht nur ein Teil von ihnen, Platz haben sollten.