Zwischenruf 25.2.2024, Stefan Schröckenfuchs

Handeln statt verzweifeln

„Heute ist der schönste Tag seit gestern“. So antwortet ein Gast unserer Wärmestube regelmäßig, wenn ich ihn frage, wie es ihm geht.

Immer dienstags, wenn unsere Kirchenräume für alle geöffnet sind, die ein warmes Platzerl und eine kostenlose Mahlzeit brauchen, ist auch er da. Mit seinem Hund, und in der Regel gut gelaunt. Heute ist der schönste Tag seit gestern, sagt er lächelnd.

Stefan Schröckenfuchs
ist Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich

Ohnmacht und Sprachlosigkeit

Mir selbst fällt es nicht immer so leicht, so positiv und humorvoll aufs Leben zu blicken. Immer wieder schlagen mir die zahllosen Nachrichten von Kriegen, Konflikten und Katastrophen aufs Gemüt. Was kann ich schon ausrichten, wenn an anderen Orten der Welt Despoten oder Terroristen neue Kriege anzetteln? Gewiss nichts, was ausreichen würde, um sie daran zu hindern!

Ich kann mich auch noch so sehr bemühen, im Einklang mit der Natur zu leben – und kann doch nicht verhindern, dass die Umwelt Tag für Tag weiter zerstört wird. Machtlos höre ich die Warnung der Wissenschaft, dass bald schon Kipppunkte erreicht sein werden, die das Weltklima noch mehr aus den Fugen geraten lassen. Dazu kommt, dass die Vorstellungen davon, was man als wahr oder real erachtet, innerhalb unserer Gesellschaft immer weiter auseinanderdriften. Sei es in Fragen der Politik, der Wissenschaft, der Religion oder der Moral: Immer öfter beginnt man ein Gespräch und stellt bald fest, die Perspektiven des Gesprächspartners sind so weit von den eigenen entfernt, dass man vorsichtshalber lieber den Mund hält. So kommt zum Gefühl der Ohnmacht noch die Erfahrung der Sprachlosigkeit.

Zwischenruf
Sonntag, 25.2.2024, 6.55 Uhr, Ö1

Die Wirkung des Einzelnen

Was hilft in solchen Zeiten? Jammern? Der Rückzug in die eigenen vier Wände? Ablenkung durch die Verlockungen, die man für gutes Geld kaufen kann? Meine Erfahrung ist, dass das nicht mehr ist als ein Selbstbetrug. Im schlechtesten Fall führt es mich noch tiefer in die Depression. Was mir jedoch hilft ist, mich zu engagieren. Ich versuche, mich einzubringen, wo ich kann. Dazu gehört eben die Mithilfe in der Wärmestube. Es kann auch die Teilnahme an einer Demonstration sein, oder der Entschluss, auf etwas zu verzichten. Gerade jetzt in der Fastenzeit eine gute Idee, finde ich. Möglichkeiten, sich zu engagieren, gibt es viele: bei der Rettung, in der Diakonie, in der Kirche. Durch ehrenamtliches Engagement, oder die bewusste Entscheidung für einen sozialen Beruf. Manche werden Friedensaktivist, Bloggerin, oder Klimaschützer.

Der schönste Tag seit gestern

Natürlich: Die großen Probleme unserer Zeit werde ich als einzelner dadurch auch nicht aus der Welt schaffen. Dennoch bewirke ich etwas: und zwar genau das, was nur ich bewirken kann. Das beizutragen, was ich beitragen kann, ist etwas, das niemand für mich tun kann.

Das erstaunliche ist, mich zu engagieren wirkt sich auch auf mich selbst aus. Wann immer ich mich darin übe, etwas für das Miteinander beizutragen, wird mein Gefühl der Ohnmacht kleiner. Ich erlebe mich als wirksam, und nehme auch wieder deutlicher wahr, was wirklich ist. Etwas zu tun erdet mich und bringt mich näher an die Wirklichkeit meiner Mitmenschen. So kann ich nach einem Tag in der Wärmestube viel eher schmunzelnd sagen: Heute war der schönste Tag seit gestern!