Freitag, 15.3.2024, Ernst Aigner

Nicht wir machen Erfahrungen, sondern sie machen uns

Diese Woche haben Sie sicher auch viele Termine, Treffen oder Erledigungen geplant, die hoffentlich alle so gelaufen sind, wie Sie es sich vorgestellt haben. Die eigentliche Würze im Leben sind aber die ungeplanten Dinge, jene, die uns ohne unser Zutun überraschen.

Im Großmarkt der Lebensberatung motiviert man mit Sätzen wie: „Heute ist der erste Tag vom Rest ihres Lebens.“, – damit wir noch ein bisschen tüchtiger und reicher werden, um möglichst viel zu erleben und ja nichts zu versäumen. Ob sich dabei Glück einstellt, bezweifle ich. Ich denke, es liegt hier ein Missverständnis vor.

Mystisch ist die Welt

Erfahrungen, die unser Leben erfüllter machen, sind nicht die, die wir machen im Sinn von planen, kontrollieren, konsumieren. Tiefer gehen Erfahrungen, die nicht wir machen, sondern die uns machen: die uns treffen, überraschen, umwerfen. Die uns reicher und reifer machen, wenn wir uns ihnen stellen und verwandelt aus ihnen hervorgehen.

Ernst Aigner
ist Kabarettist und pensionierter Religionslehrer aus Freistadt

Es kommt gar nicht so darauf an, was wir erleben, sondern ob wir es tief genug aus dem Staunen heraus erleben. „Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische“, schrieb Wittgenstein, „sondern dass sie ist.“ Und Max Frisch verweist auf die Kinder als die großen Vorbilder:

„Wir könnten Menschen sein / Einst waren wir schon Kinder / Wir sahen Schmetterlinge / Wir standen unter dem silbernen Wasserfall / Wir sahen alles / Wir hielten die Muschel ans Ohr / Wir hörten das Meer / Wir hatten Zeit.“

Ich wünsche Ihnen Zeit zum Staunen.