Zwischenruf 10.3.2024, Thomas Hennefeld

Von der Bedeutung der Demokratie

In den Monaten Februar bis Mai haben in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dramatische Ereignisse stattgefunden, durch die das kleine Pflänzchen Demokratie niedergetreten und schließlich zerstört wurde.

Im März 1933 die Ausschaltung des Parlaments, im Februar 1934, also vor 90 Jahren, die Niederschlagung des Aufstandes der Sozialdemokraten und in der Folge die Beseitigung der Reste von Demokratie. Vier Jahre später, im März 1938, die Eingliederung in ein totalitäres System und am 10. April 1938 eine Volksabstimmung, die nur noch eine Farce war.

Thomas Hennefeld
ist Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich

Diktatur als christlich-kathlischer Staat

Heute leben wir in Österreich in einer im Großen und Ganzen intakten Demokratie. Allerdings treten Kräfte auf den Plan, die Grundrechte gerne einschränken würden. Und das in einem Umfeld, in dem autoritäre Führer weltweit auf dem Vormarsch sind. Und was hat das alles mit Kirchen zu tun?

Bezeichnenderweise gerade am 1. Mai 1934 hat die damalige Regierung die Verfassung wie folgt geändert. Aus: „Österreich ist eine demokratische Republik. Das Recht geht vom Volk aus“ wurde in der neuen Verfassung: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seinen christlichen deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung“. Die Kirchen haben in der Vergangenheit keine rühmliche Rolle gespielt, wenn es um den Erhalt von Demokratie ging, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Und die Diktatur zwischen 1934 und 1938 verstand sich ausdrücklich als christlich-katholischer Staat.

Zwischenruf
Sonntag, 10.3.2024, 6.55 Uhr, Ö1

Die Mehrheit darf nicht schweigen

Mir ist es lieber, wenn Gott nicht in der Verfassung aufscheint, aber dafür umso mehr christliche Inhalte gelebt werden. Die Bibel wurde in Zeiten verfasst, die fern von demokratischen Strukturen waren und doch finden sich in ihr an so vielen Stellen Gedanken, die grundlegend für demokratische Systeme sind wie Gebote für ein gutes Miteinander, ein Ausgleich zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Das Gebot, die Schwachen und Fremden zu schützen und die Rolle der Propheten, die mit den Mächtigen hart ins Gericht gingen und Gewalt und Unrecht verurteilten. Und Jesus selbst handelte im Sinn der Nächstenliebe und des Dienens anstatt des Herrschens. Der Weg der grenzenlosen Liebe und Gewaltfreiheit brachte ihn bis ans Kreuz.

Mag sein, dass die schweigende Mehrheit eine autoritäre Wende nicht möchte, einen starken Führer ablehnt. Aber dann darf die Mehrheit nicht schweigen, dann muss sie sich kraftvoll zu Wort melden, wo nur der Anschein erweckt wird, Grundrechte, Meinungs-, und Medienfreiheit zu beschneiden, die Unabhängigkeit von Gerichten anzuzweifeln und die Gewaltentrennung zu verwässern. Was mich erschreckt an den Ereignissen zwischen 1933 und 1938 ist, wie rasch ein System kippen kann. Aus christlicher Sicht fordere ich dazu auf, wachsam zu sein und alle demokratischen Mittel auszuschöpfen, um Freiheit und sozialen Frieden zu erhalten und zu sichern.