Dienstag, 19.3.2024, Olivier Dantine

Das fünfte Gebot

Gebote sind nicht immer so eindeutig, wie sie zunächst scheinen.

Die 10 Gebote sind Ausdruck der Freiheit, sie sollen sie erhalten. Da scheint es logisch, dass in ihrem Zentrum der Schutz des Lebens steht, ohne den keine Freiheit denkbar ist. „Du sollst nicht töten.“, heißt das 5. Gebot. Ursprünglich war damit aber nur der eigentliche Mord gemeint. Im Laufe der Zeit wurde dieses Gebot immer mehr im Sinne des Lebensschutzes interpretiert. Bei der Todesstrafe aber scheiden sich bis heute die Geister.

Olivier Dantine
ist Superintendent der Evangelischen Kirche für Salzburg und Tirol

Nicht aus der Verantwortung herausnehmen

Und wie ist es mit Tieren? Dürfen wir sie für unsere Ernährung töten? Oder leitet sich aus dem 5. Gebot die Forderung ab, auf jegliches Fleisch zu verzichten? Ganz aktuell wird nicht nur in den Kirchen über Kriege und Waffenlieferungen diskutiert. Es gab und gibt christlich motiviert sowohl das Segnen von todbringenden Waffen als auch die oft mit dem Leben bezahlte Weigerung, zu den Waffen zu greifen.

Und heute? Sind Waffenlieferungen an ein angegriffenes Land wie die Ukraine gerechtfertigt, damit es die eigene Bevölkerung und ihre Freiheit schützen kann, oder heizt dies erst recht den Krieg an? Auch das scheinbar eindeutige Gebot nimmt uns nicht aus der Verantwortung, darüber nachzudenken, was es für unser Leben in unserer Zeit bedeutet.