Zwischenruf 31.1.2024, Martin Jäggle

Der richtige Zeitpunkt ist heute

Haben Sie auch die Zeitumstellung so gut verschlafen wie ich? In der Mitteleuropäischen Zeit bin ich schlafen gegangen, in der Mitteleuropäischen Sommerzeit bin ich aufgewacht. Alle Jahre wieder müssen alle Uhren umgestellt werden und sich alle Menschen auf die neue Zeit einstellen.

Doch es ist keine neue Zeit, nur die Zeitmessung ist eine andere. Egal, welche Einstellung Sie zur Zeitumstellung haben, es ändert nichts an der Einstellung der Chronometer, die exakt über den genormten Stand der physikalischen Zeit informieren. Ganz im Sinne des griechischen Gottes der Zeit, Chronos, dem Vater des Zeus, der verlangt, die große Menge an Zeit zu nützen.

Martin Jäggle
ist katholischer Theologe und Religionspädagoge

Aufstand gegen den Tod

Die griechische Mythologie kennt noch einen anderen Gott der Zeit, den Kairos, den jüngsten Sohn des Zeus. Er macht auf die besonderen Chancen und Möglichkeiten des Augenblicks, der Gegenwart aufmerksam, die auf Menschen zukommen und die sie „am Schopf“ packen können. Der Kairos kann eine Zeitenwende bewirken und zu einer neuen Zeit führen.

Der Ostersonntag heute könnte ein solcher Kairos sein. Die Kirchen des Westens feiern heute den Tag der Auferstehung: Jesus von Nazareth war tot und ist in ein neues Leben gekommen. Ein entscheidender Durchbruch: vom Tod zum Leben. Für sie ist es die Zeitenwende von der Resignation zur Hoffnung, von der Gewalt zum Frieden, von der Knechtschaft zur Freiheit.

Für Kurt Marti ist die Auferstehung „ein Aufstand Gottes gegen alle Herren und gegen den Herrn aller Herren: Gegen den Tod“. Allzu lange ist dabei die Hoffnung auf Auferstehung ausschließlich an das Ende des Lebens verschoben worden, auch als Trost, um das beschädigte Leben besser aushalten zu können. Aber das allein wäre zu wenig.

Zwischenruf
Sonntag, 31.3.2024, 6.55 Uhr, Ö1

Zeitenwende Ostersonntag

„Ich habe gar nicht gewusst, wie viele Menschen sich Essen nicht leisten können“, sagte die siebenjährige Enkeltochter, als sie spontan bei einer Wärmestube ausgeholfen hat. Auf den Bildschirmen sind die erschütternden Schrecken von Kriegen zu sehen, doch allzu oft bleiben die Beschädigung und Zerstörung von Leben in der Nähe verborgen, werden Gewalt und Missbrauch verheimlicht. „Diese Wirtschaft tötet“, klagt Papst Franziskus, wenn Menschen ausgegrenzt und wie Müll behandelt werden und die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird. Das alles geschieht inmitten einer zunehmend ermüdeten, ja erschöpften Gesellschaft, in der die offensichtliche Zerstörung der Grundlagen allen Lebens auf dieser Erde zu wenig Resonanz findet. Es wäre zum Verzweifeln.

In einer Zeit, in der so viel für den Tod gearbeitet wird, für den Tod an Beziehung, für die Beschädigung von Leben… In dieser Zeit erinnert der Ostersonntag an das Leben, an geglückte Beziehungen, an alles, das stärker ist als der Tod. Daraus zu leben und zu handeln, das macht die Zeitenwende, die der Ostersonntag bedeutet, wirksam. Es wäre eine vertane Chance, den Kairos des Ostersonntags einfach zu verschlafen, statt aufzustehen füreinander, für das Leben und gegen den Tod.