Papst-Reise

Papst startete historischen Besuch in den Irak

Erstmals seit Beginn der Coronavirus-Pandemie ist Papst Franziskus am Freitag zu einer Auslandsreise aufgebrochen. Die Coronavirus-Infektionszahlen und die angespannte Sicherheitslage machen die Reise zu einem Risiko.

Um 7.45 Uhr hob der Airbus 330 der italienischen Fluggesellschaft Alitalia vom Flughafen Rom-Fiumicino ab. Die Maschine mit der päpstlichen Delegation und rund 70 Medienvertretern an Bord wird zu Mittag mitteleuropäischer Zeit (14.00 Uhr Ortszeit) in Bagdad erwartet. Er reise als „Pilger des Friedens“ in den Irak, schrieb der Papst kurz nach dem Start in einem Abschiedstelegramm an Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella.

Unmittelbar vor der Abreise traf der Papst in der Früh in seiner Residenz Santa Marta im Vatikan noch eine Gruppe von zwölf irakischen Flüchtlingen, die mithilfe der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio in Italien Zuflucht gefunden haben. Bereits gestern besuchte Franziskus wie vor Auslandsreisen üblich die römische Basilika Santa Maria Maggiore. Traditionell betet der Papst vor und nach jeder Auslandsreise in der Kirche zu der von ihm geschätzten Marien-Ikone Salus populi Romani.

Plakate mit Papst Franziskus in Bagdad
APA/AFP/Sabah Arar
Der Irak ist das 50. Reiseziel des amtierenden Papstes und die erste Auslandsreise seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie

Der Irak ist das 50. Land, das Franziskus in seinem bald achtjährigen Pontifikat besucht. Gleichzeitig ist es die erste Reise eines Papstes in das von Kriegen gezeichneten und wenig geeinten islamischen Land. Schwerpunkte des Besuchs sind Begegnungen mit der bedrängten christlichen Minderheit und der interreligiöse Dialog mit dem Islam.

Prekäre Lage

Er komme als „Pilger der Hoffnung“ und wolle „nach Jahren des Kriegs und des Terrorismus Vergebung und Versöhnung“ erflehen, sagte Franziskus in einer vorab am Donnerstag verbreiteten Videobotschaft an die irakische Bevölkerung. Die Visite findet in einer prekären Sicherheits- und Pandemielage statt.

Der Vatikan-Journalist Stefan von Kempis sagte im Ö1-Religionsmagazin „Praxis“, die Iraker hätten ein großes Interesse daran, dass dem Papst und den Menschen, die an dieser Reise beteiligt sind, nichts passiere, aber: "Die völlige Sicherheit ist an so einem Ort schlechthin nicht zu gewährleisten.“

Sendungshinweis

„Praxis – Religion und Gesellschaft“ zum Nachhören.

Die Nah-Ost Expertin und Standard-Journalistin Gudrun Harrer sagte, der Irak sei zerrissen zwischen dem iranischen Einfluss und der Allianz mit den USA – "und so ist das Land immer in Gefahr zum Schlachtfeld zwischen Teheran und Washington zu werden. Gerade in den letzten Wochen wachsen ja wieder die Spannungen.“

Vertreter aus Politik und Religion

Nach seiner Ankunft in Bagdad wird Franziskus am Freitagnachmittag eine Ansprache an Vertreter aus Politik, Diplomatie und Zivilgesellschaft richten. Bei Unterredungen mit Staatspräsident Barham Salih und Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi dürfte es auch um die nationale Einheit des Landes gehen, das nach blutigen Protesten 2019/2020 Parlamentswahlen im Oktober anstrebt.

Auch an die eigenen katholischen Gläubigen wendet sich der Papst gleich am Ankunftstag, und zwar mit einer Rede an Kleriker, Ordensleute und Katecheten bei einem Treffen in der syrisch-katholischen Kathedrale in Bagdad. Das Gotteshaus war 2010 Schauplatz eines blutigen Terroranschlags, bei dem 48 Christen ermordet wurden. An dem Treffen in der Kathedrale Unserer Lieben Frau der Erlösung soll auch der Patriarch der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien, Ignatius Youssef III. Younan, teilnehmen.

Treffen mit Großayatollah

Am Samstag ist in der südirakischen antiken Stadt Ur, die als Heimat der biblischen Gestalt Abraham gilt, ein Gebet von Vertretern unterschiedlicher Religionen geplant. Zuvor trifft Franziskus mit dem schiitischen Großajatollah Ali al-Sistani in Nadschaf zusammen – das interreligiöse Highlight der Reise.

Denn, so Harrer, „Sistani hat weltweit eine riesige Anhängerschaft. Er ist ein Mardscha. Das heißt, für viele Schiiten ist er wirklich die oberste religiöse Autorität. Al-Sistani ist von theologisch großer Bedeutung und umso interessanter ist diese Begegnung mit dem Papst.“

EIn Plakat mit Papst Franziksus und dem irakischen Großayatollah Al-Sistani
APA/AFP/Ahmad Al-Rubaye
Das Treffen zwischen Papst Franziskus und Großayatollah Al-Sistani hat besondere Bedeutung

Es ist das erste Mal, dass Papst Franziskus in ein Land mit schiitischer Bevölkerungsmehrheit reist. Im Nordirak will der Papst am Sonntag in der Stadt Mossul als ehemaliger Hochburg des „Islamischen Staats“ an die Opfer des Krieges erinnern und den christlichen Ort Karakosch besuchen. Zum Abschluss der Reise feiert er in der kurdischen Regionalhauptstadt Erbil eine Messe, zu der bis zu 10.000 Gläubige in einem Stadion erwartet werden.

Mehrheit der Christen geflohen

Seit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein 2003 ist die Mehrheit der einst bis zu 1,5 Millionen irakischen Christen geflohen oder emigriert. Heute leben in der Gesamtbevölkerung von 39 Millionen nur noch schätzungsweise 200.000 bis 400.000 Christen. Der Papst sprach mit Blick auf die Christen im Irak von einer „Märtyrerkirche im Lande Abrahams“.

Der Politologe Thomas Schmidinger resümierte in der „Praxis“, wenn dieser Besuch reibungsfrei ablaufe, „würde das für den Irak ganz sicher innenpolitisch das Signal sein, dass es wirklich möglich ist, hier wieder den Weg einer zivilen, friedlichen Gesellschaft einzuschlagen.“