Köln

Missbrauch vertuscht? Auszeit statt Rücktritt für Heße

Papst Franziskus „gewährt“ dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße zunächst eine Auszeit, wie der Vatikan laut Erzbistum Hamburg, erklärte. Es ist offenbar noch keine endgültige Entscheidung gefallen, wie mit dem Angebot des Erzbischofs, sein Amt niederzulegen, umgegangen werden soll.

Als Konsequenz aus einem Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen im Erzbistum Köln hatte Heße dem Papst seinen Amtsverzicht angeboten. Das Erzbistum Hamburg bezeichnete die Nachricht aus Rom als „erste Antwort“ von Papst Franziskus auf den von Heße angebotenen Verzicht. Der Vatikan teile dazu mit: „Papst Franziskus hat dem Erzbischof von Hamburg, S.E. Mons. Stefan Heße, eine Auszeit gewährt. Während seiner Abwesenheit wird der Generalvikar, Mons. Ansgar Thim, die ordnungsgemäße Verwaltung der Erzdiözese sicherstellen.“

Unklar war zunächst, was unter „Auszeit“ genau zu verstehen ist und wie lange sie dauern wird. Ein Sprecher des Erzbistums Hamburg sagte auf Nachfrage, er verstehe die Mitteilung so, dass noch keine Entscheidung gefallen sei.

Vatikan-Experte: Papst nimmt Sache „ernst“

Aus informierten Kirchenkreisen hieß es, die Mitteilung des Vatikans sei noch keine Vorentscheidung. Vielmehr sei damit zu rechnen, dass sich nun ein langwieriges Prüfverfahren anschließe, in dem sich der Vatikan die Akten kommen lasse und den Fall eingehend untersuche. Das könne sich über viele Wochen hinziehen.

Der italienische Vatikan-Experte Marco Politi sagte der Deutschen Presse-Agentur, die erste Reaktion des Papstes sei in jedem Fall sehr schnell gekommen. „Das bedeutet: Der Papst nimmt die Sache ernst, und er will nicht, dass Heße in der Zeit der Prüfung an der Spitze der Diözese steht“, sagte Politi.

Kirchenrechtler bezweifelt Konsequenzen

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte, für ihn sehe es danach aus, dass am Ende sowohl Erzbischof Heße als auch die beiden infolge des Gutachtens beurlaubten Kölner Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff im Amt bleiben würden. Es passe zum Stil von Franziskus, dass er offenbar erst einmal Zeit gewinnen wolle.

Schüller kritisierte den Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, der der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt hatte, die Kritik an dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in den vergangenen Wochen habe „kampagnenhafte Züge“ getragen. „Hier wird so getan, als wäre es doch im Wesentlichen eine Kampagne der bösen Medien gewesen“, sagte Schüller der Deutschen Presse-Agentur.

Verstöße gegen Meldepflicht

In der vorvergangenen Woche war in Köln ein seit langem erwartetes Gutachten vorgestellt worden. Darin wurde untersucht, wie Bistumsverantwortliche in der Vergangenheit mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester umgegangen sind. Heße, der früher Personalchef und Generalvikar im Erzbistum Köln war, wurden insgesamt elf Pflichtverletzungen vorgeworfen. Dabei handelte es sich nach Angaben der Gutachter unter anderem um Verstöße gegen die Melde- und Aufklärungspflicht.

Noch am selben Tag bot Heße dem Papst seinen Amtsverzicht an, „um Schaden vom Amt des Erzbischofs sowie vom Erzbistum Hamburg abzuwenden“. Er betonte, dass er sich niemals an der Vertuschung von Missbrauchsvorwürfen beteiligt habe. Er sei aber dennoch bereit, seinen Anteil für das Versagen des Systems zu tragen. Heße war am 14. März 2015 als Erzbischof nach Hamburg gewechselt. In Köln wurden als Folge des Gutachtens zwei Weihbischöfe von Kardinal Rainer Maria Woelki beurlaubt.