Suizidbeihilfe: Katholische Verbände „verhalten positiv“

„Verhalten positiv“ mit Forderungen nach einigen Nachschärfungen haben sich die Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände (AKV) und der Katholische Familienverband (KFÖ) zum Gesetzesentwurf der Regierung in Sachen Assistierter Suizid geäußert.

„Wir begrüßen, dass die Politik versucht hat, zu einer verantwortungsvollen Regelung zu kommen. Besonders wichtig ist, dass kommerzielle Angebote nach wie vor verboten bleiben“, erklärte KFÖ-Präsident Alfred Trendl am Sonntagabend in einer ersten Stellungnahme. Dennoch seien mehrere zentrale Fragen noch nicht geklärt worden.

Vor allem das Anliegen, „dass alte oder kranke Menschen nicht in den Suizid gedrängt werden dürfen“, sehen die Arbeitsgemeinschaft und der Familienverband mit dem vorliegenden Entwurf weiterhin nicht hinreichend erfüllt. Ohne eine „ordentliche Regelung“ drohe hier „die Gefahr, dass ältere und kranke Menschen vermehrt unter Druck geraten, ihre Daseinsberechtigung und ihren Lebenswillen zu rechtfertigen“, so AKV-Präsident Matthias Tschirf. Die katholischen Laienorganisationen hielten das für „zutiefst unmenschlich“.

Ruf nach mehr Angeboten

So sehr man das Bekenntnis der Regierung zum Ausbau der Palliativmedizin auch begrüße, sei für Menschen in schwierigen Lebenssituationen dennoch „mehr als nur ein medizinischer Ansatz“ nötig, so AKV und KFÖ. Palliativmedizinische Angebote müssten tatsächlich flächendeckend ausgebaut, die Behandlungsautonomie sichergestellt und auch die benötigte Begleitung, Psychotherapie und Seelsorge für Betroffene sowie die Begleitung der Angehörigen durch den Gesetzgeber berücksichtigt werden. „Wer Sterbehilfe nicht will, muss für optimale Sterbebegleitung sorgen“, verweisen die katholischen Laienverbände auf einen Ausspruch von Kardinal Franz König.

Noch zu wenig eindeutig und rechtssicher geklärt sei zudem die Frage der Prävention und der Präventionsmaßnahmen des Suizids bei vulnerablen Gruppen. Trendl hielt zudem fest, dass Beihilfe zum Suizid „nie gemeinnützig“ sei. Sie damit zu bezeichnen, wäre „sowohl von der Wortwahl wie auch vom Inhalt her irreführend und fatal“, mahnte der Präsident des Katholischen Familienverbandes.

Ärzte-Gespräche für Caritas-Direktor zu wenig

Der Vorarlberger Caritas-Direktor Walter Schmolly fordert über den Regierungsentwurf hinausreichende Maßnahmen, um die freie Selbstbestimmung des Betroffenen sicherzustellen. Dass im vorliegenden Gesetzesvorschlag nur eine Aufklärung im Rahmen von Gesprächen mit zwei Ärzten gefordert wird, sei „zu wenig“. „Es kann nicht alles in ein medizinisches Gespräch gepackt werden. Es wäre wichtig, dass zusätzlich eine psychologische und psychosoziale Beratung vorgesehen wird“, so der Chef der kirchlichen Hilfsorganisation im Interview mit der Vorarlberger „Krone“ (Montag-Ausgabe).

Eine gesetzliche Sicherstellung der freien Selbstbestimmung war vor knapp einem Jahr in dem ausschlaggebenden Urteil des Verfassungsgerichtshofs eingefordert worden, erinnerte Schmolly. Es gebe nämlich auch „vielfältige soziale und ökonomische Umstände“, die diese Freiheit beeinflussen würden, hatten die Höchstrichter festgestellt. Die Befürchtung, todkranke Menschen könnten womöglich den Freitod wählen, weil sie nicht zur Last fallen, gelte es durch Maßnahmen im Gesetz zu verhindern – was mit dem Entwurf „keineswegs verwirklicht“ sei, hob der Caritas-Direktor hervor.

„Charakter von Alltäglichkeit“

Als weiteren Kritikpunkt nannte Schmolly die vom Gesetzesentwurf vorgesehene Möglichkeit, einen in der Sterbeverfügung genannten Vertreter mit der Abholung des todbringenden Medikaments aus der Apotheke zu beauftragen oder sich dieses zustellen zu lassen. Das gebe dem assistierten Suizid „den Charakter von Alltäglichkeit“, so der Caritas-Direktor.

Insgesamt drohe mit der Straffreistellung der Suizidbeihilfe die von der Hospiz-Gründerin Cicely Saunders formulierte Würde des Menschen bis zum letzten Augenblick des Lebens schrittweise ausgehöhlt zu werden. Klar sei für ihn, dass „bedingungslose Assistenz zum Leben unsere gemeinsame erste Aufgabe bleiben“ müsse, sagte Schmolly.

Den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung sieht der Caritas-Direktor hingegen positiv. In Vorarlberg ortet er vor allem im Bereich des mobilen Palliativteams und bei der Versorgung von Kindern Ausbaubedarf.

Körtner: „Respektabler Kompromiss“

Positiver beurteilte der evangelische Theologe und Medizinethiker Ulrich Körtner den Regierungsvorschlag. Ein „respektabler Kompromiss“ sei darin gefunden worden, mit dem man versucht habe, sowohl dem Selbstbestimmungsrecht als auch dem Lebensschutz und der Missbrauchsprävention Rechnung zu tragen, sagte er dem „Kurier“ (Montag-Ausgabe).

Freilich existiere „noch sehr viel Kleingedrucktes, wo es etlichen Diskussionsbedarf gäbe“, so der Experte. Die bloß dreiwöchige Begutachtungsfrist sei „der Bedeutung dieser Materie sicher nicht angemessen“.

Sorge über „Paradigmenwechsel“

Sorgen äußerte Körtner trotz dieser Einschätzung über den „Paradigmenwechsel“, der in der Sterbehilfedebatte insgesamt zu beobachten sei. So werde in der Schweiz, wo es Suizidbeihilfe schon seit langer Zeit gebe, nun darüber diskutiert, ob der Staat Zugang zu tödlichen Barbituraten gewähren muss. Zunehmend werde dabei ein Abwehrrecht – also dass der Staat eine Person nicht an der Inanspruchnahme Dritter zur Selbsttötung hindern dürfe – „unter der Hand zu einem Anspruchsrecht“ – also dass der Staat dabei helfen müsse.

Auch in Österreich seien neben der Diskussion von Grenzfällen weitere juristische Anläufe von Sterbehilfe-Befürwortenden für eine Regelung, die auch aktive Sterbehilfe straffrei stellt, absehbar.