Pfarrer und „VinziWerke“-Gründe Wolfgang Pucher
APA/Helmut Fohringer
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Nachruf

VinziWerke-Gründer Pucher verstorben

Der Gründer der VinziWerke und Seelsorger Pfarrer Wolfgang Pucher ist am Mittwoch überraschend im Urlaub nach einem medizinischen Notfall verstorben. Am Donnerstag findet um 18.30 Uhr ein erstes Gebet zu seinem Gedenken in der Pfarrkirche Graz-St. Vinzenz statt.

Laut Aussendung der katholischen Kirche Steiermark wurde die Rettungskette in dem kroatischen Urlaubsort zwar sofort in Gang gesetzt, jedoch aber ohne Erfolg. Wie die Diözese Graz-Seckau mitteilt, hinterlässt der 84-jährige Pfarrer Pucher einen Bruder und dessen Familie, aber auch unzählige Mitbrüder bei den Lazaristen, Mitglieder der Pfarrgemeinde, Wegbegleiter, hunderte haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Für sie sei er Inspiration gewesen. Zudem hinterlässt er „tausende Menschen, denen er eine Stimme gegeben hat, für die er sich mit unerbittlichem Willen kompromisslos eingesetzt und denen er mit seinen unkonventionellen Lösungsansätzen schlussendlich Obdach, eine Perspektive und ein ‚vinziges‘ Stück Hoffnung geschenkt hat“.

VinziWerke 1990 entstanden

Die von Pucher gegründeten VinziWerke sind ab 1990 aus der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg entstanden. Zielgruppe sind Menschen, „die aus der Bahn geraten sind und deshalb in Armut leben“: Drogen- und Alkoholabhängige, Obdachlose, Haftentlassene, Bettlerinnen und Bettler.

VinziWerke-Pater Wolfgang Pucher im Grazer VinziMarkt
VinziWerke
Pfarrer Pucher im Grazer VinziMarkt

In den mittlerweile 40 Institutionen der VinziWerke in der Steiermark, Wien und Salzburg finden täglich bis zu 450 Personen Unterkunft, und 1.400 Personen werden mit Essen und Lebensmitteln versorgt.

Allein in Wien bietet das Hilfswerk sieben Einrichtungen an, etwa zwei Notschlafstellen – VinziBett und VinziPort – zwei VinziShops sowie den VinziMarkt und das VinziDorf. Letzteres bietet 24 langzeitobdachlosen Männern ein Zuhause auf Dauer.

Bischof „tief getroffen“

Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl zeigte sich „tief getroffen“ vom überraschenden Tod Puchers. „Die Leistungen von Wolfgang Pucher für die Menschen am Rande kann man nicht hoch genug einschätzen. In den 60 Jahren seines Wirkens als Priester in der Gemeinschaft der Lazaristen und während 50 Jahren als Pfarrer von Graz-St. Vinzenz war er ein unermüdlich laufender Motor in unserer Diözese, dessen Bestimmung es war, Not zu lindern“, so Krautwaschl am Donnerstag.

Mit seiner Umtriebigkeit habe Pucher „viele gefordert, aber dadurch auch Großartiges bewirkt: Die VinziWerke sind ein professionelles Hilfswerk, das die Wurzeln von Armut bekämpft; ein Netzwerk der Nächstenliebe, das weit über die Diözese Graz-Seckau hinauswirkt. Für sein Leben in der Nachfolge Jesu Christi sage ich ein herzliches Vergelt’s Gott. Möge er nun Frieden an der Seite Gottes finden“, so der Bischof.

Sendungshinweis

In memoriam: Wolfgang Pucher, Der rebellische Pfarrer, Sonntag, 23. Juli 2023, 9.05 Uhr, in ORF2

„Rebell der Nächstenliebe“

Als „Rebell der Nächstenliebe“, Brückenbauer und Mann, der nach dem Motto „Geht nicht, gibt’s nicht!“ gelebt hat, würdigte die Direktorin der steirischen Caritas, Nora Tödtling-Musenbichler, Pucher in einem Nachruf am Donnerstag. Der Verstorbene sei nicht nur in Graz, sondern in der Steiermark, in Österreich ein Pionier gewesen, der in den letzten Jahrzehnten ein Netzwerk der Mitmenschlichkeit gespannt hat. Somit sei Pucher das „soziale Gewissen in Österreich“ gewesen.

Pucher sei im Laufe der Jahrzehnte mit großem Engagement Priester und Seelsorger gewesen, so die Caritas-Direktorin. Pucher habe nie weggeschaut, sondern lautstark und öffentlich aufgezeigt, wenn er gemerkt habe, dass Menschen ungerecht behandelt werden, Not leiden und wenn Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. „Er scheute sich nicht davor, diese Ungerechtigkeit anzusprechen und dagegen etwas zu tun“, so die Direktorin der steirischen Caritas.

Einrichtungen weiterhin offen

Er habe sein Leben in die Berufung des Heiligen Vinzenz von Paul und des Seligen Frederic Ozanam und somit in den Dienst an den Ärmsten in der Gesellschaft gestellt, so die Diözese. „Wir sind in tiefer Trauer. Dennoch möchten wir betonen, dass alle Einrichtungen und Projekte trotz dieser Ausnahmesituation ihre Arbeit weiter fortführen und Menschen am Rande der Gesellschaft in ihrer Not auffangen."

"Wir bitten alle Menschen, die uns bisher verbunden waren, uns auch weiterhin zu unterstützen“, so Peter Pratl, Obmann der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg, und Amrita Böker, Koordinatorin der VinziWerke.

„Die brauchen mich“

Der Grazer „Armenpfarrer“ Pucher wurde am 31. März 1939 in Hausmanstätten bei Graz als Kind einer Handwerkerfamilie geboren. Nach der Matura 1958 trat er in die Grazer Lazaristen-Kongregation ein und wurde 1963 zum Priester geweiht. Im Juni 1973 hielt Pucher seine erste Predigt als neuer Pfarrer in der Grazer Vinzenzkirche, die prägend für sein künftiges Wirken werden sollte. Gleich zu Beginn habe er erklärt, er wolle für alle Menschen da sein, „vor allem für jene, die mich am meisten brauchen“, erinnerte sich Pucher anlässlich seines 60-jährigen Priesterjubiläums im Juni.

Der „VinziBus“ in Graz
APA/VinziWerke
Der VinziBus hilft vor Ort

So sei er bald auf ein „Delogiertenheim" in direkter Nachbarschaft zur Pfarre gestoßen, in dem 800 Menschen, davon 200 Kinder, lebten."Nach einem Besuch aller Wohnungen wusste ich: die brauchen mich“, so Pucher.

Die dort lebenden Menschen waren von den Behörden und allen Sozialaktivitäten der Stadt Graz nahezu ausgeschlossen „und im wahrsten Sinne des Wortes verachtet“, erklärte Pucher. Ein erster Schritt, den er erwirkte, war, die 50 cm hohe Schrift „Delogiertenwohnheim der Stadt Graz“ an der Fassade entfernen zu lassen. Das Gerücht, er selbst habe die Lettern abmontiert, stimme, auch wenn es ihn ehre, aber nicht.

Roma besonderes Anliegen

Ein besonderes Anliegen waren dem Pfarrer die Roma aus dem slowakischen Hostice, die als Bettler nach Graz gekommen sind. Um ihnen auch zu Hause die Möglichkeit zum Geldverdienen zu geben, startete er das Projekt VinziPasta, eine Nudelmanufaktur in Hostice, mit dem die Frauen des Ortes zuhause Geld verdienen. Für Aufsehen sorgte auch sein Widerstand, als das Land Steiermark im Jahr 2011 ein Bettelverbot erließ. Pucher ließ sich selbst anzeigen und unterstützte andere Angezeigte, bis 2013 das Verbot vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde.

Sendungshinweis

Wolfgang Pucher über seine Motivation sich für Arme einzusetzen, in der „Lebenskunst“, am Sonntag, 23.Juli 2023, ab 7.05 Uhr, in Ö1.

Nachdem er 2012 im Essl-Museum Klosterneuburg mit dem „Essl Social Prize“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, verwendete er das Preisgeld von einer Million Euro für eine innovative Form der Wohnbetreuung Obdachloser in der Stadt Salzburg. 2013 feierte er sein 50-jähriges Priesterjubiläum und sein 40-jähriges Pfarrjubiläum. 2015 erhielt er das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

2017 entstand aus der Notschlafstelle VinziTel heraus das Projekt Solido, das volljährige Einzelpersonen und Familien, die von Obdach-und Wohnungslosigkeit betroffen sind, unterstützt.

„Menschenverachtender Widerstand“

Bei seinen Aktionen sei ihm „mitunter menschenverachtender Widerstand“ entgegengebracht worden, so Pucher. Das habe ihn aber nie ans Aufhören denken lassen: „Wenn ich vor einer Herausforderung stehe, dann stelle ich mich ihr, und dieses Sich-Stellen weckt neue Kräfte“. Woher die Kräfte kommen, könne er nicht genau bestimmen, aber, „Ich bin der festen Überzeugung: Wenn Gott jemandem eine Aufgabe gibt, dann gibt er ihm auch die notwendigen Kräfte und Fähigkeiten, sie zu erfüllen“, so Pucher.