Deutsche Bischöfe
Reuters/Kai Pfaffenbach
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Katholiken

Maßregelung durch Papst: Deutsche Bischöfe vor Zerreißprobe

Nach einer Maßregelung durch den Vatikan stehen die deutschen katholischen Bischöfe vor einer Zerreißprobe. Entweder sie gehorchen Rom und begraben die Pläne für ein Gremium, in dem Bischöfe und Laien gleichberechtigt entscheiden, oder sie riskieren den Bruch mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).

Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, äußerte sich am Montag in Augsburg „verwundert“ über den von drei Kurienkardinälen verfassten Brief aus Rom. „Jetzt muss geredet werden“, forderte der Limburger Bischof zu Beginn der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe.

Der Vatikan hatte die Bischofskonferenz aufgefordert, eine geplante Abstimmung über die Satzung des angestrebten Reformgremiums „Synodaler Ausschuss“ von der Tagesordnung der Frühjahrsvollversammlung zu nehmen. Die Pläne stünden im Widerspruch zu den Anweisungen des Papstes und dem geltenden Kirchenrecht, so die Kritik aus Rom. Bätzing entsprach der Bitte und strich die Abstimmung. Das sei eine „Selbstverständlichkeit“ aus Respekt vor Rom, sagte er in Augsburg.

Schönborn kritisiert deutsche Bischöfe

Ungewöhnlich klar meldete sich am Montag Kardinal Christoph Schönborn in der Debatte über die mögliche Etablierung des „Synodalen Ausschusses“ in Deutschland zu Wort. Dieser stehe im Widerspruch zur Verfassung der Kirche und Theologie des Konzils – mehr dazu in Schönborn kritisiert deutsche Bischöfe.

Der „Synodale Ausschuss“ soll einen „Synodalen Rat“ vorbereiten, in dem die Bischöfe und die Laien gleichberechtigt Entscheidungen treffen sollen. Bätzing sagte, der Brief mache deutlich, dass es in Rom „wirkliche Sorgen“ hinsichtlich des deutschen Weges gebe. Er habe aber den Eindruck, dass diese Bedenken großenteils entkräftet werden könnten.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing
Reuters/Timm Reichert
Limburger Bischof Bätzing: Bischofsamt auf eine neue Grundlage stellen

Es sei von deutscher Seite nicht geplant, das Bischofsamt zu schwächen, es solle vielmehr auf eine neue Grundlage gestellt und dadurch gestärkt werden. Die Autorität des Bischofsamts und des Papstes sei aber angezählt durch den Missbrauchsskandal. „Und deswegen brauchen wir neue, verbindliche, transparente Beratung, die auch wirklich dann in die Entscheidungen einfließt.“ Der „Synodale Ausschuss“ sei bereits konstituiert und müsse arbeiten.

Verzögerungstaktik

Wichtig sei jetzt der Dialog. In diesem Zusammenhang warf Bätzing dem Vatikan jedoch eine Verzögerungstaktik vor: „Ich möchte aber betonen, dass wir, die Delegation der deutschen Bischöfe, oft monatelang, über ein halbes Jahr lang auf die Festlegung von Terminen warten. Ich sage das hier ehrlich: Wir könnten schon viel weiter sein, die Gespräche könnten längst geführt sein, und für die Verzögerung liegt die Verantwortung klar auf der Seite Roms.“

Irritiert über Intervention

Das ZdK äußerte sich irritiert über die Intervention des Vatikans. „Das ZdK erwartet, dass der Synodale Ausschuss bei seiner nächsten Sitzung im Juni voll arbeitsfähig ist“, sagte Präsidentin Irme Stetter-Karp. Mehrere führende Theologen kritisierten den Vatikan scharf.

Das Eingreifen von höchster Stelle belege die „panische Angst Roms, dass in Deutschland zukünftig Bischöfe den verbindlichen Rat der Gläubigen einholen müssen“, sagte der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller der dpa. Für Bätzing und andere Reformer sei es ein „Schlag in die Magengrube“. „Der Papst misstraut abgrundtief der deutschen Kirche und ihren Bischöfen“, sagte Schüller, der selbst Mitglied im „Synodalen Ausschuss“ ist.

Entscheidung „willkürlich“

Wie „willkürlich“ die Entscheidung von Papst Franziskus sei, zeige sich darin, dass er für das Amazonas-Gebiet durchaus ein Statut genehmigt habe, bei dem Bischöfe und Laien gleichberechtigt und stimmberechtigt seien. „Damit wird deutlich: In der katholischen Kirche entscheidet allein der Papst, was aus seiner Sicht synodal bedeutet und wem er es gestattet und wem nicht.“ Im Ergebnis bedeute dieses Machtwort das Ende des „Synodalen Ausschusses“.

Kardinal Marx für mehr Mitsprache

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sprach sich am Dienstag für mehr Mitsprache in der katholischen Kirche aus, um zukunftsfähig zu bleiben. Die Kirche brauche auch Demokratie – zwar nicht in dem Sinne staatlicher Institutionen, aber „Mitbestimmung, Mitgestaltung, Einbeziehung aller Charismen, aller Möglichkeiten. Ohne das wird uns die Zukunft nicht geschenkt“, sagte er am Dienstag in einem Gottesdienst in Augsburg.

Die Kirche dürfe Freiheitskultur nicht als negative Kultur sehen. Sie müsse in dieser Kultur „anschlussfähig sein, ohne angepasst zu sein“, sagte der Erzbischof von München und Freising weiter.

Kurienkardinal: Kein „Lehrmeister“ sein

Hinter die Absage des Vatikans an den deutschen Reformweg und die Einrichtung eines „Synodalen Rats“ sowie die jüngsten Äußerungen von Kardinal Schönborn zu diesem Thema stellte sich am Dienstag auch der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper. In einem Kommentar für das theologische Portal Communio.de warnte Kasper die katholische Kirche in Deutschland vor einem Auftreten als Lehrmeister anderer Ortskirchen.

Es gebe andere Möglichkeiten und Modelle, ein Zusammenspiel von Laien und Bischöfen auszuprobieren, die mit der Tradition vereinbar seien und sie weiterführten. „Darum sollte im weltkirchlichen synodalen Prozess keiner als Lehrmeister der anderen Ortskirchen, vielmehr jeder als von anderen Ortskirchen bereitwillig Lernender auftreten. Das stünde uns Deutschen besonders an“, so der langjährige Leiter des früheren Einheitsrates im Vatikan.

Manche sehen Gefahr eines Schismas

Die Erfurter Theologin Julia Knop sagte, die Bischöfe müssten klären, ob sie sich den Gläubigen in Deutschland verpflichtet fühlten „oder ob sie sich von der haltlosen Unterstellung aus Rom einschüchtern lassen, sie würden die katholische Kirche in Deutschland ins Schisma führen“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstag-Ausgabe). Die Gefahr eines Schismas – einer Kirchenspaltung – wird auch von konservativen deutschen Bischöfen wie dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki immer wieder ins Feld geführt.

Die breitere Verteilung der Macht und andere Reformprojekte sind Ergebnisse des Reformprozesses „Synodaler Weg“, mit dem die katholische Kirche in Deutschland unter anderem auf den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester reagiert hat. Als Konsequenz daraus sollen Strukturen, die den Missbrauch begünstigt haben, geändert werden. Dazu gehört nach Überzeugung der Mehrheit der Bischöfe auch, dass wichtige Entscheidungen nicht nur von ihnen, sondern auch von einfachen Gläubigen ohne Weihe – den Laien – getroffen werden.