Statue von Immanuel Kant
APA/AFP/Stringer
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300. Geburtstag

Mit Kants Ethik für den Klimaschutz

Am Montag jährt sich Immanuel Kants Geburtstag zum 300. Mal. Warum sein Plädoyer für eine allgemeingültige Ethik heute umstritten ist und doch gerade für Fragen des Klimaschutzes entscheidend sein könnte, erklärt der Philosoph und Theologe Reinhold Esterbauer im Interview.

Bis heute prägt Kants (1724–1804) Philosophie zentrale Grundlagen des theologischen, philosophischen und rechtswissenschaftlichen Denkens. So etwa die Vorstellung des Menschen als potenziell freies und vernünftiges Wesen oder das Modell einer weltweiten Rechts- und Friedensordnung. Seine Überlegungen zur Beweisbarkeit Gottes führten zudem auch in der Theologie dazu, die Quelle des Wissens über die Existenz Gottes verstärkt zu reflektieren.

„Kant ist in mehrfacher Hinsicht revolutionär“, sagt Reinhold Esterbauer, Professor für Philosophie an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Graz gegenüber religion.ORF.at: „Er wollte das Denken umkrempeln und auf neue sichere Beine stellen.“ Es sei ihm darum gegangen ein sicheres Fundament zu finden – nicht nur als Ausgangspunkt für das Denken, sondern auch für das Handeln.

Ohne allgemeine Ethik kein Klimaschutz

Gerade die Fülle an ethischen Fragen und Debatten heute zeige, warum Kants Philosophie ungebrochen relevant ist. Kants Überlegungen etwa zu einer allgemein gültigen Moral könnten mit Blick auf den Klimaschutz heute Anwendung finden: „In der Klimapolitik wissen wir alle: Es geht nicht, dass sich nur ein Weltteil dafür jetzt stark macht, sondern das müssen wir alle tun. Das Klima ist nicht national beschränkt, es ist auch nicht auf gewisse Erdteile beschränkt, sondern es ist global.“

Das bedeute Esterbauer zufolge aber, dass eine funktionierende Klimaethik nur eine globale sein könne: „Und darum müssten diese ethischen Grundsätze dann natürlich auch universal verbindlich sein, sonst wird das kaum oder nur schwer machbar sein.“

Der Ursprung einer allgemeinen Ethik

Im Hintergrund dieser Überlegungen steht Kants berühmt gewordener kategorischer Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Dieser war Ergebnis seiner Suche nach einer Möglichkeit prüfen zu können, ob eine Handlung moralisch richtig ist. Kant unterschied hierfür zunächst zwischen hypothetischen Imperativen, also Handlungsanweisungen, die nur in bestimmten Situationen gelten, und einem Imperativ, der immer und überall für alle Menschen gelten müsse.

Sendungshinweis

Reinhold Esterbauer zu Immanuel Kants zentralen Überlegungen und Fragen in der Miniserie „Kant fragen“ in „Was ich glaube“.

Esterbauer nennt die Handlungsanweisung: „Du darfst nicht zu viel essen“ als Beispiel für einen hypothetischen Imperativ. Denn die Anweisung sei natürlich nicht für alle Menschen gut, sondern nur für jene, die abnehmen wollen oder eine bestimmte Diät halten müssten. Um moralisch gutes Handeln erkennen zu können, brauche es, nach Kant, aber einen Imperativ, der immer und überall gilt, das bedeutet kategorisch.

Prüfstein für gute Handlungen

Esterbauer: „Kant war davon überzeugt, dass man ohne universale Ethik lauter Bereichsethiken oder kulturell differenzierte Ethiken“ hätte oder solche, die sogar „nach Personen unterschiedlich sind“. Solche Ethiken könnten Kant zufolge aber nicht gut sein, da der kategorische Imperativ in allen Menschen liege. Um prüfen zu können, ob eine Handlung nun eine gute und damit ethisch vertretbar sei, sollte der Mensch sich fragen, ob sie auch dann gut sei, wenn alle anderen Menschen dieselbe Handlung setzen würden.

Immanuel Kant
dpa/Diener
Am 22. April 2024 jährt sich Immanuel Kants Geburtstag zum 300. Mal

Universale Ethik als aufgezwungene Ethik?

Kants Plädoyer für eine globale Ethik wurde immer wieder kritisiert, so Esterbauer, etwa von postkolonialistischen Strömungen. So werde angefragt, ob eine solche Ethik nicht übersehe, dass Menschen unterschiedlich sind. Andererseits wird kritisiert, dass die von Kant als universal bezeichnete Ethik nicht wirklich universal gültig sei, sondern bloß über den europäischen Kolonialismus in andere Weltregionen gebracht und Menschen dort aufgezwungen wurde.

Wie Esterbauer betont, müssten solche Fragen ernstgenommen werden. Kant selbst hätte, so Esterbauer, aber wohl die Gegenfrage gestellt, wie Menschen ohne universale Ethik, also ohne Verbindlichkeit, in einer Weltgesellschaft zusammenleben, verhandeln und auch wirtschaftlichen Austausch betreiben könnten: „Kant ging auch davon aus, dass wir nicht nur nationale Bürgerinnen und Bürger sind, sondern Weltbürger- und Bürgerinnen.“

Damals „revolutionär“

Wie Esterbauer erklärt, zeige sich in Kants Denken natürlich, dass er stark auf den Menschen fixiert war. „Heute wird man natürlich auch über den Menschen hinausgehen, haben wir doch auch zahlreiche Probleme, die den Menschen schon längst übersteigen. Wenn man zum Beispiel daran denkt, wie wir in unserer Umwelt weiterleben wollen oder an die viel diskutierte Frage, ob es eine Tierethik geben soll.“

Umgekehrt müsse man aber sehen, dass Kants Ansatz zu seiner Zeit eine riesige Innovation war. Denn der Fokus auf den Menschen war zu Kants Lebzeiten neu und in dieser Form außergewöhnlich." Ebenso bahnbrechend sei sein Anspruch gewesen, jedes Denken und vor allem jedes Handeln vernünftig begründen zu können.