Es ist eine merkwürdige Liebe, die da von den Wienern gepflegt und gehätschelt wird, mit der sie selbst im Suff in den Heurigen der Vorstädte noch kokettieren: die Liebe zum Tod, zur eigenen Vergänglichkeit und zu den Toten. Der Tod selbst – so heißt es in einem Volkslied – sei sogar ein Wiener gewesen. Als „schene Leich“ wird ein schönes Begräbnis, eine Bestattung mit Pomp, mit Würde und mit ausreichend Trauergästen genannt. Doch: wie hat sich im Zeitalter der Individualisierung und Säkularisierung der Umgang mit dem Tod, die Verabschiedung vom Toten und das Totengedenken verändert? Eine Dokumentation über den Umgang mit dem Sterben und dem Tod in einer Gesellschaft, die „die schene Leich“ in ihren Liedern besingt, in der das Thema aber mehr und mehr zum Tabu gemacht wird.Im Bild: Franz Schuh am Zentralfriedhof.
ORF/Langbein & Partner
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Di., 29.09.2020, 22:35 Uhr, ORF 2

Grenzerfahrung Nahtod und Herr Schuh und der Tod

Sie berichten von Licht, einem „Tunnelerlebnis“, sehen ihre Lebensstationen nochmals wie in einem Zeitraffer: Menschen, die im Sterben waren, aber nochmals in dieses Leben „zurückgeholt“ werden konnten und eine sogenannte „Nahtod-Erfahrung“ erlebt haben.

Di., 29.09.2020, 22:35 Uhr,
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„kreuz und quer“

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Grenzerfahrung Nahtod

Seit Jahrtausenden sind diese Erlebnisse bekannt, doch eine Erklärung, was dabei mit Körper und Geist tatsächlich passiert, fehlt bis heute.

Wie ist Wahrnehmung in einem klinisch toten Zustand möglich? Und was passiert mit dem Geist, wenn der Körper stirbt? Sind Nahtod-Erfahrungen das letzte Feuerwerk des Gehirns vor seinem Absterben? Oder öffnet sich im Sterbeprozess einen kleinen Türspalt weit der Blick auf eine andere Art der Existenz im Tod?

In der Dokumentation „Grenzerfahrung Nahtod“ von Regisseurin Karoline Thaler kommen Mediziner, Philosophen und Theologen ebenso zu Wort wie jene Menschen, die eine solche Erfahrung erlebt haben. Wie zum Beispiel der ungarische Schriftsteller und Fotograf Péter Nádas.

Vor einigen Jahren hatte er auf offener Straße einen Herzinfarkt und erlebte eine Nahtoderfahrung, die er literarisch in seinem Buch „Der eigene Tod“ verarbeitet hat. „Jetzt also trete ich ab, das war tatsächlich mein Gedanke. Ich wusste, wenn ich diese Grenze zwischen Dunkelheit und Licht überschreite, gibt es kein Zurück mehr“, so der Schriftsteller.

„Grenzerfahrung Nahtod“, Sie berichten von Licht, einem „Tunnelerlebnis“, sehen ihre Lebensstationen nochmals wie in einem Zeitraffer: Menschen, die im Sterben waren, aber nochmals in dieses Leben „zurückgeholt“ werden.
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Auch der deutsche Theologe Albert Biesinger erlebte während einer scheinbar harmlosen Routineoperation eine Nahtoderfahrung, die seine Einstellung zum Tod grundlegend geändert hat: „Ich sitze sehr oft als Diakon am Bett von sterbenden Menschen, und da hilft mir meine Nahtoderfahrung sehr, weil ich einfach völlig unängstlich geworden bin. Ich habe die Angst vor dem Tod komplett verloren. Ich habe noch Respekt vor dem Sterben, weil man weiß nie, über welche Krankheit der Sterbeprozess geht. Aber wenn der Sterbeprozess vorbei ist und der Tod kommt, da erwarte ich dann wieder das große Glück.“

In Österreich sind Nahtoderfahrungen noch immer ein großes Tabu und werden aufgrund fehlender wissenschaftlicher Ergebnisse von vielen angezweifelt. Auch für diesen Film war keine der angefragten Frauen bereit, vor der Kamera über ihre Erfahrungen zu sprechen. Zu groß ist nach wie vor die Angst, nicht ernst genommen oder belächelt zu werden.

Warum ist der Umgang mit Nahtoderfahrungen so schwer? Warum polarisiert er nach wie vor? Noch – so scheint es – fehlt ein angemessener Umgang mit diesem Phänomen: ohne Diskriminierung und ohne Idealisierung.

Regie: Karoline Thaler
Redaktion: Christoph Guggenberger, Helmut Tatzreiter

Es ist eine merkwürdige Liebe, die da von den Wienern gepflegt und gehätschelt wird, mit der sie selbst im Suff in den Heurigen der Vorstädte noch kokettieren: die Liebe zum Tod, zur eigenen Vergänglichkeit und zu den Toten. Der Tod selbst – so heißt es in einem Volkslied – sei sogar ein Wiener gewesen. Als „schene Leich“ wird ein schönes Begräbnis, eine Bestattung mit Pomp, mit Würde und mit ausreichend Trauergästen genannt. Doch: wie hat sich im Zeitalter der Individualisierung und Säkularisierung der Umgang mit dem Tod, die Verabschiedung vom Toten und das Totengedenken verändert? Eine Dokumentation über den Umgang mit dem Sterben und dem Tod in einer Gesellschaft, die „die schene Leich“ in ihren Liedern besingt, in der das Thema aber mehr und mehr zum Tabu gemacht wird.Im Bild: Franz Schuh am Zentralfriedhof.
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Herr Schuh und der Tod

„Ich glaube einfach nicht, was ich sicher weiß – nämlich dass ich eines Tages tot sein werde. Und solange ich nicht daran glauben muss, also noch Distanz oder Zeit habe, befasse ich mich mit dem Tod“ – so beginnt der Essayist Franz Schuh seine Reise an die Grenze des Lebens.

Was passiert, wenn wir nicht mehr sind? Gibt es die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Nicht-Sein zu versöhnen? Und wer sind die Menschen, die täglich mit dem Tod konfrontiert sind? Diesen Fragen gehen der Autor Franz Schuh und der Filmemacher Florian Gebauer in ihrem Film „Herr Schuh und der Tod“ nach.

Der Film führt Franz Schuh zu den Mumien in der Michaelergruft, auf die Wiener Anatomie, wo Ärzte aus der ganzen Welt an frischen Kadavern ihre Fertigkeiten üben, und auf Friedhöfe, wo „Thanatopraktiker“ (Leichen-Kosmetiker), Grabredner und Begräbnissänger ihrer Profession nachgehen.

Biologisch ist der Tod bloß ein Verwesungsprozess, biographisch aber ist er der Strich durch die Rechnung, die man ein Leben lang eröffnet hat. Der Tod als Synthese aus Sichtbarem und Unsichtbarem. Der Film ist eine Suche nach den drängenden Antworten, die der Tod aufwirft.

Franz Schuh sagt dazu: „Gibt es die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Nicht-Sein zu versöhnen? Ja, man kann den Tod akzeptieren, man kann ihn hinnehmen, man kann ihn sogar suchen – aber versöhnen, also mit dem Tod eins werden, das scheint mit dem menschlichen Dasein unmöglich.“

Ein Film von Florian Gebauer, erzählt von Franz Schuh.

Regie: Florian Gebauer
Redaktion: Christoph Guggenberger