Predigt von Pfarrerin Helene Lechner

Pfarrerin Helene Lechner

Worauf bauen wir
ist der Leitgedanke, der uns zum Ökumenischen Weltgebetstag 2021 mitgegeben ist.

Worauf bauen wir?
fragen Frauen aus Vanuatu hinein in unsere Welt.

Gerade haben wir drei Geschichten von Frauen gehört, die aus ihrem Leben auf diesem Inselstaat erzählen.

Und im Laufe unseres Gottesdienstes haben wir erfahren, wie das Leben auf Vanuatu sich gestalten kann und was für Themen die Menschen, die dort leben, bewegen.

Worauf bauen wir?

Der Predigttext für den heurigen Weltgebetstag stammt aus dem Matthäusevangelium, aus dem 7. Kapitel.
Dort lesen wir in den Versen 24–29:

Vom Hausbau 24 Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. 25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. 26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. 27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß. 28 Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre; 29 denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten.

Worauf bauen wir?

Unsere Predigtstelle heute schließt einen der bekanntesten Teile unseres Neuen Testaments ab:

sie steht am Ende von drei Kapiteln, die wir als „Bergpredigt“ kennen und in der wir ganz verdichtet die Vision einer Welt finden die Heil und Segen für die Menschen bereithält, weil sie auf Gott vertrauen
und der Liebe, dem Frieden und der Wahrhaftigkeit folgen.

Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erfahren spricht Jesus da gleich zu Beginn zu der Volksmenge, die ihm bis hierher gefolgt ist (Mt 5,7) und Selig sind die, die für den Frieden arbeiten, denn sie werden Töchter und Söhne Gottes heißen. (Mt 5,9)

Jesus redet davon, dass es Menschen braucht, die als Salz der Erde die Welt mit Sanftmut und Liebe würzen, die sich um Gerechtigkeit bemühen, das Leben achten und die der Ehrlichkeit anhängen: Euer Wort soll ein eindeutiges Ja sein oder ein eindeutiges Nein. (Mt 5,37)
sagt Jesus.
Und vielleicht spüren auch Sie, wie eigentümlich gut solche Worte tun angesichts dessen, was wir täglich in den Nachrichten sehen oder auch im eigenen Leben immer wieder erfahren.

Wenn ich die Bergpredigt lese, dann frage ich mich:

Was würde passieren, wenn wir Menschen einmal ganz mutig in ihrem Sinne versuchen würden, auf Böses mit Gutem zu antworten Feindseligkeiten mit Freundlichkeit zu begegnen und Brücken zu bauen statt Gräben zu ziehen?

Was würde passieren,
wenn wir auch in denjenigen, die uns ganz fremd sind
weil sie ein ganz anderes Leben führen als wir oder geographisch weit weg von uns leben

Gottes Menschenkinder erkennen würden, die es wert sind,
als die gesehen zu werden, die sie von Gott her immer schon sind: einzigartig, Würde-voll liebenswert, wahrscheinlich mit ähnlichen Sorgen und Ängsten wie wir selbst und ebenso hungrig und durstig
nach Frieden und Glück und Lebenschancen in dieser Welt, wie du und ich?

Unsere Schwestern aus Vanuatu fragen:
Worauf bauen wir?

Sie wissen, was es heißt,
wenn Bildung eine Frage der Leistbarkeit ist;
wenn Mädchen in einer Gesellschaft weniger zählen als Buben, wenn „Zur Schule gehen“ bedeutet,
dass man als Kind seine Familie verlassen muss.

Sie wissen aus eigener Erfahrung
– vielleicht ähnlich wie manche Ältere unter uns heute – wie sich ein leerer Magen anfühlen kann
oder wie es ist,
wenn man zu wenig zu essen im Haus hat
als dass alle hungrigen Kinder satt werden könnten.

Worauf bauen wir?
fragen diese Frauen.

Sie fragen es auch
angesichts des Klimawandels, den sie schon viel stärker als wir am eigenen Leib spüren, weil er ihre Heimat als Sturm, als zu intensiver Regen, als zu lange Trockenphase ganz konkret bedroht.

Worauf bauen wir?

Das fragen wir anlässlich des Weltgebetstags heute kritisch mit ihnen, in ökumenischer Verbundenheit weltweit.
Auf welchen Fundamenten ist unsere Menschengemeinschaft aufgebaut?
Oder auch nicht?

Wo haperts und mangelts, wo bröckelt es und wankt es und wo stehen wir aber auch da
– trotz aller Herausforderungen und Krisen –
stabil, gut geerdet,
unerschütterlich in dem, was wir als gut
und wichtig und richtig erkannt haben?

Wie wir uns verhalten,
als einzelne und als Gesellschaft, das macht etwas mit uns.
Was wir jeweils tun oder nicht tun, wie wir miteinander umgehen, was wir unter den Tisch kehren oder was wir versuchen, umzusetzen und zu fördern

– das alles hat Konsequenzen
und gestaltet das Gesicht unseres gemeinsamen Lebens auf dieser Erde.

Wir leben nicht nur für uns
sondern wir leben miteinander

und als Christinnen und Christen sind wir durch Gottes Wort gerufen,
Botschafterinnen und Botschafter des Lebens zu sein und durch die Art, wie wir miteinander unterwegs sind, deutlich zu machen,

dass es ein Unterschied ist, ob wir der Liebe folgen oder den Hass befeuern; dass es ein Unterschied ist, ob wir das Leben fördern oder Ungerechtigkeit dulden;

und dass es einen Unterschied macht, ob wir uns als Menschen der Wahrhaftigkeit verpflichtet fühlen oder es damit nicht so genau nehmen.

Es macht einen Unterschied:

Für die Gemeinschaft der Menschen als Ganzes, für meine Nächsten in der Ferne oder Nähe,
und für mich selbst und meinen
seelischen Frieden heute
und am Ende der Tage.

Worauf bauen wir?

Wenn ich die Bergpredigt lese, dann merke ich immer wieder, die unglaubliche Kraft, die in ihr steckt;

und ich lade Sie ein, auch selber einmal wieder zu lesen, was da steht.

Da geht es um was!
ruft es mir mit jedem Vers entgegen.

Da redet jemand,
leidenschaftlich!

Da malt mir Jesus
Gottes phantastische Welt aus, weil er mich und mein Herz dafür gewinnen will.
Nach ihr soll ich suchen, zuallererst! sagt Jesus.

Nach ihr und nach der Gerechtigkeit Gottes, das genügt.

Wenn ich das tue, dann mag es mir vielleicht gelingen, von meinen eigenen Sorgen, um die sich mein Gedankenkarusell viel zu oft viel zu unerbittlich dreht ein Stück los zu kommen;

und meinen Blick auf mich und meine Beziehungen zu anderen zu richten und zu erkennen, wie sehr wir als Menschen
im Kleinen und Großen zusammengehören:

ob wir hier leben oder auf Vanuatu
ob wir ein Zuhause haben
oder ob wir auf der Flucht sind

ob wir älter oder jünger sind,

oder ob wir als Frauen oder als Männer oder anders in dieser Welt unterwegs sind.

Wir alle sind ganz fundamental aufeinander angewiesen:

auf ein freundliches Gesicht, auf helfende Hände,
darauf,
dass wir einander Mitgefühl zeigen und den Frieden suchen
und darauf,
dass wir miteinander teilen und bewahren,
was uns in dieser Welt
an Lebensmöglichkeiten geschenkt ist, damit wir uns noch lange
an ihrem Reichtum und ihrer Schönheit freuen können.

Unserer Kraft,
Stück für Stück
an einer Welt zu bauen,
wie sie uns als so große Vision in der Bergpredigt begegnet

liegt zugrunde,
was Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist für uns Menschen ist und sein will:
Wort, das erschafft und trägt, Liebe, die mitgeht und bewegt und Hoffnung,
die unseren Blick
auf eine segensreiche Zukunft in Gottes Gegenwart richtet.

Amen