Jesuitenprediger Jeremias Drexel
ORF/Meta Film
ORF/Meta Film
Di., 14.09.2021, 22:35 Uhr, ORF 2

Glauben, Leben, Sterben. Menschen im Dreißigjährigen Krieg (1)

Im ersten Teil des „kreuz und quer“-Zweiteilers „Glauben, Leben, Sterben – Menschen im Dreißigjährigen Krieg“ von Stefan Ludwig „erzählen“ fünf Menschen, wie sie den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) erlebt und erlitten haben.

„kreuz und quer“

Jeden Dienstag um 22.30 Uhr in ORF 2

Alle haben tatsächlich gelebt, Spuren und Zeugnisse hinterlassen und waren zugleich Opfer und Täter. Durch einen erzählerischen Kunstgriff erzeugt der Film eine besondere Nähe zum historischen Geschehen:

Eine Reporterstimme aus dem Off – jene von „Tatort“-Kommissarin Adele Neuhauser – stellt den historischen Figuren Fragen, und sie sprechen über ihre Hoffnungen, Ängste und Überzeugungen, direkt in die Kamera. Kontrastiert werden diese „Augenzeugenberichte“ aus der Vergangenheit mit Eindrücken einer Reise durch das heutige deutschsprachige Europa.

Gibt es noch Spuren von dem Konflikt von einst? Wie steht es um den Glauben heute? Renommierte Experten wie der Politikwissenschafter Herfried Münkler oder die Historiker Georg Schmidt und Christoph Kampmann analysieren den Konflikt von damals und fragen, ob der Dreißigjährige Krieg uns etwas über die Kriege unserer Zeit lehren kann. Das Dokudrama schlägt den Bogen von der europäischen Tragödie von vor 400 Jahren zu den heutigen Konflikten.

Um 23.20 Uhr folgt mit Anita Lackenbergers Dokumentation „Landnahme – Wie zwischen Bayern und Ungarn eine neue Welt entstand“ eine filmische Zeitreise in das Jahr 1021 zur Entstehung des heutigen Ungarn: Zur sogenannten „Landnahme“ und der Christianisierung einer „neuen“ Welt.

„Glauben, Leben, Sterben – Menschen im Dreißigjährigen Krieg“ – Teil 1: „Glaubenskampf“

Mit dem Prager Fenstersturz im Mai 1618 beginnt der Dreißigjährige Krieg und damit der letzte große Religionskrieg in Europa. Er weitet sich zu einem Flächenbrand aus, in dem machtpolitische und wirtschaftliche Interessen die Oberhand gewinnen. Nahezu alle europäischen Mächte des damaligen Europas sind darin verwickelt.

Erst als Millionen gestorben sind und der halbe Kontinent verwüstet ist, kann im Westfälischen Frieden (1648) eine neue Ordnung gefunden und auch das Zusammenleben von Europas Katholiken und Protestanten geregelt werden.

Warum das Ringen um die Konfession zum Auslöser eines solchen Gemetzels werden konnte, ist heute kaum mehr nachzuvollziehen. Wie in den Religionskonflikten unserer Zeit verbergen sich hinter scheinbarem Fanatismus politische, wirtschaftliche und geostrategische Interessen – der Glaube wird zum Vorwand und Brandbeschleuniger. Drei ausgewählte Biografien aus dem Dreißigjährigen Krieg zeigen das:

Der Jesuit Jeremias Drexel, Hofprediger bei Herzog Maximilian von Bayern, ist ein katholischer Hardliner. Er ist bei der Niederwerfung des Prager Aufstands dabei. Doch später gerät er ins Zweifeln, ob der Krieg wirklich einer „heiligen Mission“ dient.

Die Bäuerin Marta Küzinger lebt in einem evangelischen Dorf in Oberösterreich. Als 20-Jährige erlebt sie mit, wie ihr Land mit Gewalt katholisch gemacht werden soll. In einem Bauernaufstand verliert sie ihren Mann. Doch das Leid kann sie nicht brechen: Im Verborgenen gibt sie ihren Glauben weiter und trägt so dazu bei, dass es in Österreich bis heute Protestanten gibt.

Und schließlich der Prager Kaufmann Hans de Witte – einer der großen Financiers der kaiserlichen Feldzüge. Durch ein ausgeklügeltes Kreditsystem ermöglicht er den Aufstieg des Feldherrn Wallenstein. Das Pikante daran: De Witte ist Calvinist – und gehört somit einer Konfession an, die der Kaiser überall im Reich verfolgen lässt.

Für Experteninterviews konnten unter anderem der Politologe Herfried Münkler und die Historiker Christoph Kampmann und Georg Schmidt gewonnen werden. Dabei wird auch der Bogen in die Gegenwart geschlagen: Ist der Dreißigjährige Krieg, dieses Knäuel aus Staatenkriegen, Aufständen und Glaubenskämpfen, mit der heutigen Situation im Nahen Osten vergleichbar? Erlebt die islamische Welt eine ähnliche Urkatastrophe wie damals Europa?

Die Produktion entstand als Koproduktion von ORF, BR, MDR, SWR, Metafilm und BMBWF, unterstützt von Fernsehfonds Austria, Filmfonds Wien, Kultur Niederösterreich; mit Dank an Burg Kreuzenstein, Weinviertler Museumsdorf Niedersulz GmbH.

Knochen zahlreicher Generationen liegen heute noch in der Krypta der Probstorfer Kirche im Marchfeld, die zu den frühesten Gründungen durch Freising gehört.
ORF/Produktion West/Gerhard Mader/Kreativlösung

„Landnahme – Wie zwischen Bayern und Ungarn eine neue Welt entstand“

Es ist vor genau 1.000 Jahren, im Jahre 1021: Die filmische Zeitreise von Regisseurin Anita Lackenberger führt Richtung Osten, ins heutige Marchfeld. Es ist zu jener Zeit eine unsichere Grenzregion, seit der Völkerwanderung ohne klare Besitzverhältnisse.

Die Mönche von Weihenstephan sind aufgefordert, für Ordnung zu sorgen: In der Schenkungsurkunde von 1021 werden die Benediktiner mit der „Landnahme“ beauftragt. Besitztümer und Land werden vergeben, die „keinen“ Besitzer haben. Es ist für das Reich „terra nullum“, das neu vergeben wird. Aber die Urkunde selbst zeigt, dass es hier sehr wohl Servitute, Rechte und Pflichten gibt, die von Menschen erbracht und vergeben werden.

1021 ist eine Landmark, ein Datum – aber gleichzeitig eine Zeitlinie, die wenig sagt über die Menschen vor Ort, die dieses scheinbar menschenlose Land bewohnen. Mit den Mönchen kommen Siedler aus Bayern, die das Land kolonialisieren, und sie treffen hier auf Menschen, die schon in dieser Region wohnen, von denen die Geschichtsforschung jedoch wenig weiß.

In kriegerischen Konflikten der nächsten Jahrhunderte werden sie noch oft aufeinandertreffen: Ungarn und Mährer sind nicht nur Nachbarn, sondern originäre Bewohner dieser Landschaft. Damals wie heute ist es ein Grenzgebiet und zugleich ein Rückzugsgebiet, weil es am Rande von anderen Herrschaftsregionen liegt. So wie das neu gegründete und vor allem auch neu christianisierte Reich der Ungarn. Auch Slawen aus dem Einzugsbereich über der March bewohnen die Region.

Nicht alle sind Christen, die hier wohnen. Zwar ist die offizielle Christianisierung mit der Krönung des Königs Stephan von Ungarn im Jahr 1000 abgeschlossen, aber nicht alle erkennen diesen Schritt an. Und die „Ränder“ von Herrschaftsbereichen, die dem ungarischen Reich benachbart sind, nützen Menschen, die dem alten schamanistischen Glauben treu bleiben, weiterhin als Rückzugsgebiete. Für die Christianisierung Ungarns sind im Wesentlichen die Benediktiner zuständig. Das Herz in Ungarn ist das Kloster Pannonhalma, kaum mehr als 50 Kilometer Luftlinie von der heutigen ungarisch-österreichischen Grenze entfernt.

„kreuz und quer“ begibt sich zu Schauplätzen in Niederösterreich (Marchfeld), Ungarn (Pannonhalma) und Bayern (Weihenstephan) und trifft Gesprächspartner, die die Welt vor 1.000 Jahren erlebbar machen: Marc-Aeilko Aris (Mediävist, Freising), Bernhard Haßlberger (Weihbischof, Erzbistum München und Freising), Asztrik Várszegi (Altabt des Benediktinerstifts Pannonhalma), P. Adam Arpad Somorjai (Mönch und Historiker), Helmut Schüller (Pfarrer in Probstdorf) und Herbert Kovacic (Historiker, Groß Enzersdorf).