ORF-Regisseurin Rosa Lyon zu Besuch bei Yasmeen Lari, die als erste Architektin Pakistans internationale Beachtung gefunden hat: Sie entwarf ikonische Bauten der Moderne, bevor sie eine Zero-Carbon-Selbstbau-Bewegung für Klimageflüchtete und Landlose begründete.
ORF/Rosa Lyon
ORF/Rosa Lyon
Di, 05.03., 22.35 Uhr, ORF 2

„Die mutigen Frauen von Karachi“ und „Das Mädchenhaus“

Sie leben in strengen Hierarchien: Mädchen in der erzkonservativen Unterschicht in Pakistan. Rosa Lyon hat sie vor Ort besucht und dabei Projekte entdeckt, die Mädchen unterstützen und ermächtigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Di., 05.03.2022, 22:35 Uhr, ORF 2

„kreuz und quer“

Jeden Dienstag um 22.30 Uhr in ORF 2

Die mutigen Frauen von Karachi

Für Mädchen und Frauen ist das Leben in Pakistan viel schwieriger als in den meisten anderen Ländern der Welt. Obwohl Männer und Frauen in der Verfassung seit 1973 gleichgestellt sind, ist im täglichen Leben Gewalt, Unterdrückung und extreme Benachteiligung die harte Realität.

In Karachi, der größten Stadt Pakistans, trifft ORF-Reporterin Rosa Lyon vier Frauen, die durch ihren Mut und ihren beharrlichen Willen Berge versetzen. Pakistans erste Architektin, Yasmeen Lari, berühmt durch ihre ikonischen Bauten, hilft Erdbeben- und Flut-Vertriebenen emissionsfreie, nachhaltige und beständige Häuser zu bauen.

Umgebaut hat auch Aansoo Kohli, selbst körperlich behindert, ihren Viehstall – und zwar in eine Schule. Sie wollte nicht tatenlos hinnehmen, dass es für manche keine Bildung gibt.

Muqaddas Tahir kämpft für den Schutz der Mangroven – und damit für den Erhalt lebenswichtiger Natur. Und bei Saba Edhi finden alle Sicherheit, die zu Hause schutzlos und ausgeliefert waren: Sie schafft jungen Frauen und Mädchen eine bessere Zukunft.

Gestaltung: Rosa Lyon
Redaktion:
Christoph Guggenberger

Das Mädchenhaus

Kinderheirat und Zwangsehe sind in Indien offiziell verboten, doch immer noch werden dort junge Mädchen und Frauen vielfach in eine ungewollte, frühe Ehe gezwungen.

Im südindischen Chennai versuchen engagierte Sozialarbeiterinnen den Teufelskreis aus Armut und mangelnder Bildung zu durchbrechen. Ihr Wohnheim für Mädchen bietet eine Zuflucht — und versucht, den Kindern und Jugendlichen durch gute Bildung und Ausbildung eine neue Perspektive zu eröffnen.

Das „Mädchenhaus“ im südindischen Chennai bietet Kindern und Jugendlichen eine Zuflucht — und versucht, ihnen durch gute Bildung und Ausbildung eine neue Perspektive zu eröffnen.
ORF/Journeyman TV/ Natalia Preston/© Isabelle Casez

Doch die Traditionen reichen weit zurück. Die preisgekrönte Dokumentation „Das Mädchenhaus“, die „kreuz und quer“ zum Weltfrauentag zeigt, begleitet eine Betreuerin des Wohnheims bei ihrem überzeugten Kampf für ein selbstbestimmtes Leben ihrer Schützlinge.

Im patriarchal geprägten Indien sind Mädchen nach wie vor vielfachen Diskriminierungen ausgesetzt. Vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial prekären Verhältnissen werden häufig als Minderjährige verheiratet. Amulpriya gehört mit ihren 20 Jahren schon zu den Älteren im „Mädchenhaus“ von Chennai. Längst will ihre Familie die junge Frau verheiraten, doch bislang konnte sich Amulpriya mit Erfolg gegen eine arrangierte Ehe wehren. Ihr zur Seite steht dabei die Sozialarbeiterin Sunitha.

Als Leiterin des „Mädchenhauses“ von Chennai, das zur indischen NGO „Paadhai“ gehört, versucht sie alles, um ihren Schützlingen eine selbstbestimmte Perspektive im Leben zu eröffnen. Doch hier in Südindien steht Tradition gegen Emanzipation und gilt eine Heirat vor allem in sozial schwachen Familien oft als einziges Mittel, Mädchen zu versorgen.

Amulpriya gehört mit ihren 20 Jahren schon zu den Älteren im „Mädchenhaus“ von Chennai. Längst will ihre Familie die junge Frau verheiraten.
ORF/Journeyman TV/ Natalia Preston/© Isabelle Casez
Amulpriya gehört mit ihren 20 Jahren schon zu den Älteren im „Mädchenhaus“ von Chennai. Längst will ihre Familie die junge Frau verheiraten.

Ein eigenständiges Leben dank guter Bildung und Ausbildung wird nicht als erstrebenswertes Ziel für junge Frauen gesehen. Amulpriya jedoch begehrt gegen die Pläne ihrer Mutter auf, die die Tochter trotz der eigenen schlimmen Erfahrungen in einer arrangierten Ehe sehen möchte.

Auch die Mutter von Malini (10) und Manisha (7) hat Traumatisches erlebt. Sie wurde mit gerade einmal 14 Jahren an einen Cousin verheiratet und bekam mit ihrem Ehemann die beiden Kinder. Der Vater hat die Familie längst verlassen, der neue Ehemann ist Alkoholiker. Aus Sorge um ihre Enkelinnen möchte nun vor allem die Großmutter, dass die beiden Mädchen zu Sunitha ins „Mädchenhaus“ kommen. Sie weiß, dass die Kinder dort in Sicherheit aufwachsen können.

Und sie hofft, dass Bildung den beiden ein anderes Schicksal als das ihrer Mutter und auch ihr selbst ermöglichen wird. Doch Malini hat großes Heimweh. Und auch die Mutter kann sich von ihren Mädchen nur schwer trennen. Ganz anders die Geschichte der 32-jährigen Radha: Sie kam als Kind zu Sunitha ins „Mädchenhaus“ von Chennai und blieb 15 Jahre lang dort.

Heute selbst Mutter eines Sohnes, kämpft sie mit dem Druck von Familie und Ehemann, die auf mehr Nachwuchs pochen. Doch Radha hat gesundheitliche Probleme. Und sie will nicht hinnehmen, dass ihr Wert als Frau sich nur an der Ehe mit ihrem Mann und der Geburt möglichst vieler Kinder bemisst. Radha hat einen Traum: Sie will sich weiterbilden und einen gut bezahlten Beruf ausüben.

Filmemacherin Natalia Preston begleitet die so unterschiedlichen Protagonistinnen und ihre Familien mit der Kamera, ohne zu kommentieren oder gar zu urteilen. Deutlich spürbar wird dabei das enorme Spannungsfeld, in dem sich alle Beteiligten bewegen: Dem Wunsch nach Selbstbestimmung stehen Jahrhunderte einer tief verwurzelten Tradition entgegen, vielfach sind es auch und gerade die Mütter, die ihre eigenen Töchter trotz persönlicher Leidensgeschichten auf den gleichen Weg schicken wollen.

Armut und Mangel an Bildung gehen eine unheilige Allianz ein und schreiben die immer gleichen Geschichten fort. Dagegen kämpfen Menschen wie Sunitha an, die sich tagtäglich voller Empathie und dabei ruhig und sachlich für ihre Mädchen einsetzt. Beim internationalen Festival DOK Leipzig gewann der Film mit seiner berührenden Geschichte den Publikumspreis.

Gestaltung: Natalia Preston
Redaktion: Christoph Guggenberger
Bearbeitung: Sabine Aßmann