Autofasten

In den 60er Jahren wurde mitten durch mein Heimatdorf im idyllischen Drautal eine Schnellstraße gebaut. Von da an staute sich der gesamte Urlaubsverkehr von der Nordsee bis Palermo direkt an meinem Elternhaus vorbei.

Zwischenruf 24.3.2019 zum Nachhören (bis 23.3.2020):

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Als Kinder liebten wir es, am Straßenrand die Automarken zu zählen und wir bemitleideten die Kinder aus Amsterdam und Bochum, die in der Sommerhitze hinter den Autoscheiben saßen, weil wir wussten, was ihnen auf der Fahrt bis Rimini noch bevorstand, während wir uns aufs Fahrrad schwangen und zum nahegelegenen Weissensee strampelten.

Ernst Sandriesser
ist Geschäftsführer des Forum Katholischer Erwachsenenbildung

Aus den Lösungen von gestern wurden die Probleme von heute

Inzwischen führt abseits der Dörfer eine breite Autobahn durchs Drautal, doch die Reisezeiten und Staus sind gleichgeblieben, weil sich zum einem unsere Reiseziele erweitert haben und zum anderen sich in den letzten 30 Jahren die Anzahl der PKW´s in Österreich auf vier Millionen verdoppelt hat. Nimmt man LKW, Traktoren und Motorräder dazu, bevölkern mittlerweile sieben Millionen Kraftfahrzeuge Österreich.

Obwohl wir das alles wissen, bauen wir weiter Straßen, Parkplätze und autogerechte Städte. Die Verkehrsfläche in Österreich entspricht der Fläche Osttirols und täglich kommt die Fläche von zwei Fußballfeldern dazu.

Zwischenruf
Sonntag, 24.3.2019, 6.55 Uhr, Ö1

Autofasten, d.h. die Wege ohne Auto, sondern zu Fuß, mit Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, ist ein Heilmittel gegen den eigenen Autovirus und es ist ein Statement für mehr Eigenverantwortung. Dazu passt, was im Buch Exodus Kapitel 22 steht: „Wenn jemand ein Feld oder einen Weinberg abbrennt und das Feuer sich ausbreiten lässt, sodass es das Feld eines andern in Brand steckt, dann soll er den besten Ertrag seines Feldes oder Weinbergs als Ersatz dafür geben“. Wer also Schaden anrichtet, muss ihn wieder gut machen. Würden wir heute den Verkehr nach diesem Verursacherprinzip bewerten, wären allein in Österreich jährlich 13 Mrd Euro an Umweltfolgekosten zu bezahlen. Natürlich hat uns das Autos enorme Vorteile gebracht. Doch aus den Lösungen von gestern, sind die Probleme von heute geworden.

„Welche Welt wollen wir hinterlassen?“

Seitdem ich berufsbedingt jede Woche zwischen Klagenfurt und Wien pendle, bin ich auf Elektromobilität umgestiegen und leiste mir einen Chauffeur. Ich fahre mit der Bahn. „Aber da verlierst du ja pro Fahrt eine Stunde Zeit“, kommen sofort die Einwände. Aber nein, ich gewinne drei Stunden. Ich hatte noch nie so viel Zeit zum Radio hören und Bücher lesen. Und ich konnte auf diesem Weg mein Spanisch auffrischen. Abgesehen von der vielen Zeit, die man für Gespräche hat.

Wer autofastet, erlebt kleine und große Wunder. Ein Mann wurde von seiner Fettleber geheilt – ganz einfach, weil er 40 Tage alle Wege zu Fuß ging. Bei anderen verbesserten sich in Kürze die zwischenmenschlichen Beziehungen. Denn wer zu Fuß geht, drängt niemanden von der Fahrbahn, zwingt andere nicht zum Ausweichen und schreit beim Überholen niemanden an.

Autofasten ist keine grüne Imagekampagne der Kirchen, sondern praktizierte Nächstenliebe. Welche Welt wollen wir denen hinterlassen, die gerade aufwachsen?, fragt Papst Franziskus. Mobilität ja, aber nicht auf Kosten unserer Kinder. What car would Jesus drive?, fragt ein amerikanischer Pfarrer alljährlich seine autoverrückten Landsleute. Welches Auto würde Jesus heute fahren?

Geistige Mobilität

Entlang von Straßen wurden immer Ideen ausgetauscht und wenn wir uns klug anstellen, werden wir mit neuen Ideen und Haltungen die großen Probleme der Gegenwart in den Griff bekommen. D.h. aber nicht, dass wir noch mehr Autos und noch mehr Verkehr brauchen, sondern mehr Mobilität - vor allem geistige.

Wir brauchen eine Wirtschaft und eine Mobilität im Dienst des Lebens wie sie mein Freund Pfarrer Norman Tendis jahrelang in der evangelischen Kirche vertreten hat. Er ist vor drei Wochen bei einem Flugzeugabsturz tragisch ums Leben gekommen und wurde damit eines der jährlich weltweit über 3 Millionen direkten und indirekten Opfer des Verkehrs.

Mit Autofasten geben wir dem Leben Zeit zum Durchatmen. Von Aschermittwoch bis Ostersonntag und vielleicht darüber hinaus…