Mittwoch, 6.10.2021, Johanna Schwanberg

Frauenarmut: Teilen und Teilhabe

„Die Gesellschaft ist nicht für Frauen gedacht“, „Frauen leben länger, aber verdienen weniger“, „Arbeiten und trotzdem arm“, „Heldinnen des Alltags“ ‒ Parolen, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Johanna Schwanberg ist Direktorin des Dom Museum Wien

Denn sie sprechen ein Thema an, das sich in den letzten eineinhalb Jahren durch die Pandemie nochmals zugespitzt hat. Traurige Wahrheit ist, dass der Anteil von Frauen, die in Österreich von Armut betroffen sind, überproportional hoch ist.

Dies hängt mit ihrer strukturellen Ungleichbehandlung, mit Einkommensdiskriminierung und damit zusammen, dass unbezahlte Arbeit wie Tätigkeiten im Haushalt, Kindererziehung oder Pflege meist von Frauen übernommen wird.

Die eingangs zitierten Äußerungen stammen aus einem Manifest, das die österreichische Künstlerin und Otto-Mauer-Preisträgerin Isa Rosenberger in Zusammenarbeit mit drei Frauen geschrieben hat, die selbst von Obdachlosigkeit betroffen sind. Sie wohnen derzeit in einer Einrichtung der VinziRast.

Auf große weiße Plakate haben die Frauen ihre Gedanken zu weiblicher Armut handschriftlich in bunten Farben notiert und in einer Performance zum Wiener Heldenplatz getragen. Gezielt entschieden sie sich für einen historisch und politisch aufgeladenen Ort.

Über mehrere Monate hat Isa Rosenberger mit Margaret C., Martina B. und Wilma V. für unsere Ausstellung ein spannendes mehrteiliges Projekt entwickelt – bestehend aus der Aktion im öffentlichen Raum, einem Video und Fotos.

Unter die Haut geht die Aktion, weil Frauenarmut hier nicht durch Zahlen und Fakten angesprochen wird. Vielmehr kommen die Betroffenen selbst zu Wort. Sie erzählen aber nicht, wie und warum sie verarmt sind, sondern präsentieren sich durch ihre Fähigkeiten, etwa indem sie eindrucksvoll rappen, zeichnen oder malen.

Jedes Mal, wenn ich mir dieses Projekt im Zuge der Entstehung angeschaut habe, war ich irritiert, weil die Akteurinnen so gar nicht den Bildern von Obdachlosen entsprechen, wie man sie aus den Medien oder der Kunstgeschichte kennt. Zugleich hat mich das Verschwimmen der Grenze zwischen den Tätigkeiten der Künstlerin Isa Rosenberger und der kreativen Arbeit der mitwirkenden Frauen interessiert.

Besonders begeistert mich dieses Werk, weil es zeigt, dass es in der Bekämpfung von Ungleichheit nicht nur um Teilen, sondern vor allem auch um Teilhabe geht. Es zeigt das Potenzial, das in Kunst steckt, wenn diese ihre Rolle in der Gesellschaft nutzt, um jenen eine Bühne zu bieten, die normalerweise in einer erfolgsorientierten Welt keinen Platz mehr haben.